Beitragsbild Buch Versuch über das Konzept Organisationsästhetik und Brouillon zum Wesen der Ästhetik

Versuch über das Konzept Organisationsästhetik und Brouillon zum Wesen der Ästhetik

Neuerscheinung:

Versuch über das Konzept Organisationsästhetik und Brouillon zum Wesen der Ästhetik

 

ISBN 978-3-00-077566-6

 

Organisationen sind wichtige gesellschaftliche Akteure. Ihre Handlungen, Haltungen und Entscheidungen gestalten das Leben der Individuen wie auch der Gemeinschaft insgesamt. Organisationsästhetik bestellt das weite Feld der organisationalen Präsenz und der damit verbundenen Ästhetik.

Es geht um die Wahrnehmung der gesamten Identität einer Organisation als komplexes, zusammenhängendes Netzwerk, denn Organisationen sind kein ausschließlich kognitives Konstrukt. Insofern ist die Absicht dieses Versuchs, ein Konzept zu entwerfen, das einen grundsätzlichen Beitrag für eine Neuorientierung liefert und einen Anstoß für verfeinerte Ordnungsideen zur Ausweitung der Denkzonen begründet – ganz im Sinne der universalen Dimension des Konzepts Ästhetik.

Ästhetische Ansätze leisten einen umfassenden Beitrag zur Erforschung von Organisationen, indem sie außerhalb konventioneller Kategorien arbeiten. Verbunden damit ist ein transformativer Prozess mit unumkehrbarem Erkenntnisgewinn, basierend auf Ästhetik als lebendiger, sinnlicher Wahrnehmung und wertender Beurteilung beruhend auf reflektierender Urteilskraft – ein grundlegendes, dynamisches, kulturoffenes, universales Konzept durch das Erfahrungen gesammelt, Wissen angereichert, die Welt erkannt wird. Denn Ästhetik ist in unserer Existenz nicht auf die Gebiete der Kultur, Kunst, Kallistik oder des Designs beschränkt, sondern erstreckt sich omnipräsent auf sämtliche Gebiete des menschlichen Lebens. Und: Jede menschengemachte Ordnung und Struktur, wie auch menschengemachte Prinzipien und Normen, sind beständigen Veränderungen unterworfen und somit flexibel, modifizierbar, gestaltbar und immer anders denkbar – besonders in einer Zeit sich ankündigender und bereits beginnender großer Transformationen.

 

Inhaltliche Themen sind u.a. „Ästhetische Ordnung und Struktur“, „Farbe_n und Färbung_en“, „Digitalisierung und Artifizielle Intelligenz“, „Quantenphysik“, „Mode_n“, „Die organisationsästhetische Perspektive“.

 

Ästhetik ist die Konstitution der Welt

+

die Disposition der wahrgenommenen Wirklichkeit

in

Licht | Raum | Zeit


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Über Geschmack lässt sich DOCH streiten!

Eine kritische Provokation in Bezug auf Ästhetik im Interior-Design…und darüber hinaus…

„Über Geschmack lässt sich nicht disputieren“* + „Ach nein! Das ist nichts für mich! + „Das ist nicht mein Geschmack!“

 

 

Deutscher kann eine Kombination von Sätzen nicht sein. Denn diese und ähnliche kategorischen Aussagen, ja Ausrufe sind tagtägliche Begleiter bei unsren Arbeiten im Dienst der Ästhetik. Sie liegen in der Ebene von Erwartungen und Aufforderungen, in der Kunden „abgeholt“ werden sollen resp. wollen.

 

Reflexartig werden die eingangs zitierten Geschmacks-Stopp-Schilder hochgehalten, wenn sie mit Bildern aus verschiedenen Projekten, mit unterschiedlichen Stilen konfrontiert werden – oder gar mit Mobiliar auf der Höhe der Zeit, mit Antiquitäten jenseits der Gründerzeit, mit mehr als einer Wandfarbe.

 

Doch was verraten solche absoluten Wertungen? Sie dienen der Abwehr und bedienen im Besonderen die deutsche Angst vor Veränderungen. Durchdachte Konzepte, die sämtliche Aspekte und mehrere Dimensionen eines Projekts analysieren und erfassen, verursachen Abwehr und Stress. Indes: Stil – wie auch Konzepte insgesamt – fangen erst da an, wo der Geschmack aufhört. Hier beginnt die Arbeit von erfahrenen und für ihre Profession brennende Interior-Designer – mit ihren Antennen, die unbemerkte, unbeachtete und unausgesprochene Gewissheiten erkennend verarbeiten und damit die Selbstwahrnehmung der Kunden positiv verändern. Mit professionellem Blick von außen berücksichtigen sie individuelle Bedürfnisse und Vorlieben, integrieren diese in die Komposition und nähern sich in immer enger werdenden konzentrischen Kreisen dem Resultat einer Gesamtkonzeption.

 

Denn: Geschmack ist nichts anderes als ein subjektives Werturteil – entsprechend einer individuellen Empfindung – das rein durch seine Selbstbezogenheit definiert ist.

 

Tausende Touristen aus allen Ländern besuchen alljährlich die Leuchttürme jeweiliger Kulturen. Hierfür nehmen sie viel Geld in die Hand, investieren viel Zeit, scheuen keine Mühen. Staunend ergriffen bewundern sie die überdauernde handwerkliche Kunstfertigkeit, das Zusammenspiel von Farben, Proportionen und Materialien, den kulturellen Ausdruck und Anspruch, die überwältigende Ästhetik insgesamt.

Und danach? Mit welchem Gepäck an Inspirationen und Erkenntnissen kehren sie nach Hause zurück? Dort hat es den Anschein, sie seien nur zur Exspiration fort gewesen. Die Funken der Begeisterung, der Ideen, der Anreize, der Motivationen verblassen auf dem ratternden Gepäckband im Rückkehr-Terminal. Verleugnet und ignoriert drehen sie dort ihre Runden. In einer alternativlosen Konformität wird ihr leuchtender Schein nicht gebraucht.

 

Seit Jahren hängt die einsam und verlassene, verzweifelt auf Ersatz wartende Glühbirne an der Decke – „Um Himmels Willen, was weiß ich, ob mir diese oder jene Leuchte in 10 Jahren noch gefällt!?“ – und diese Angst besteht unabhängig von den jeweiligen pekuniären Möglichkeiten. Die Wände in Weiß und Weiß, die Decken in Weiß, vergrauend in allen Schattierungen. Nichts wird dem Gegenüber oder gar sich selbst gegenüber preisgegeben. Die Angst eine falsche Entscheidung zu treffen lähmt jedes Voranschreiten, ganz so als handle es sich um Entscheidungen auf Leben und Tod.

 

Das ist in den vielen Zoom-Konferenzen gut zu beobachten, die seit dem Stillstand der Corona-Zeit das Gefühl von proaktiver Bewegung und eigener Bedeutung aufrechterhalten sollen. Vor emotionsbefreitem oder gar vernachlässigtem Hintergrund, der dem ach so geschätzten Publikum dargeboten wird, werden simple Verkäufe und Akquise euphemistisch-epidemisch als „wertvolle“ Kooperationen angepriesen:

„Kooperationen eingehen, Netzwerke aufbauen, zusammen Potenziale erschließen, sich kennenlernen, neu entdecken und für gemeinsame Projekte begeistern“ lautet der Gipfel an sprachlichem Verpackungswahnsinn.

 

Mit Vehemenz und dem Einsatz größter Energie wird sich einer dem menschlichen Leben eigenen fließenden Entwicklung verschlossen. Nach der Opulenz der 70er Jahre hat allenthalben das Narrativ der sog. ökonomischen „Vernunft“, im Schulterschluss mit dem Narrativ einer als zeitgemäß erachteten minimalistischen Versachlichung, sich Bahn und Dämme gebrochen. Mit Zähnen und Klauen wird diese Konformität als bescheiden deklariert und als höchste Form individueller Freiheit verteidigt – mit samt ihrem bröckelnden Fundament auf der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und dem In-Frage-stellen demokratischer Werte.

 

So wird häufig der Rückzug in die narzisstische Perspektive des privaten Geschmacks zu einer Vermeidung von Konfrontation und zu einer manifestierten Lebenseinstellung.

 

Zwischenruf:

Wohin diese Vermeidungsstrategie auf der politischen Ebene führte, lässt sich 2022 auf dramatische, ja entsetzlichste, grausamste Art und Weise beobachten. Das Ausblenden jeglicher Hinweise auf ästhetische Instabilitäten, die sich seit Jahren und Jahrzehnten vermehrten und verdichteten. Denn auch Politik ist ästhetisch, wenn sie vorausschauend führend ist, sich mit Integrität für das Wohl des Landes einsetzt und ihre globale Verantwortung im Blick hat – und dabei europäische Werte, Normen und Ziele nicht nur als PR-Fahne in eigener Sache hochhält.

Nach den Verheerungen im letzten Jahrhundert wird die Frage ernsthaft diskutiert, ob autokratische Systeme den Anforderungen der Zeit besser gewachsen sind als freie, demokratische Gesellschaften. Die egozentrische Wohlstandsverwahrlosung ist damit auf der Höhe ihrer Zeit.

Diese ästhetische Instabilität zeigt sich nicht zuletzt ebenso in der mit immer größerer Vehemenz anrollenden Klimakatastrophe, die durch den Tanz um das goldene Kalb „Wirtschaft-Wirtschaft-über-alles“ verursacht und immer weiter befeuert wird.

 

Doch zurück zum Geschmack:

Der Geschmack und das dazugehörige Geschmacksurteil sind immer durch die Ich-Bezogenheit, durch die Subjektivität der Urteilenden gekennzeichnet. Und damit offenbart sich auch die Begrenztheit des persönlichen Geschmacks und macht ihn untauglich für eine ästhetische Generalisierung.

 

Ein Konzept lässt sich daher nicht allein entlang des persönlichen Geschmacks gestalten. Denn dieser ist nur einer von vielen komplexen Aspekten, aus denen sich ein Konzept zusammenfügt und aufbaut: Farben, Licht, Umgebung, Region, bauliche Voraussetzungen, finanzielle Möglichkeiten et cetera pp.

 

Nahezu jedes Urteil, jede Bewertung von Geschmack werden als übergriffig definiert und negativ sanktioniert. „Each to their own“ + „It’s none of my business“ lautet die geradezu absolutistische Formel erwarteter sozialer Korrektheit. Diese füttert und fördert die narzisstische Nabelschau und lässt die Grenze zum Nachbarn immer größer und höher werden. Und das Denken in Schubladen wächst exponentiell mit.

 

Selbst die sich immer mehr ausbreitende Un-Kultur kreischender Fassadenfarben, lebloser Steingärten zur „Abschotterung“ jeder ungewollten Form von Natur, überhohe Plastikzäune in beliebig-grau oder mit aufgedrucktem Blattwerk oder sonstigen gemeinen „Tattoos“, Garagen, wie brutale Bunker, für immer mehr und größere Autos, werden klaglos ignorierend hingenommen – als sei dies alles das Normalste auf der Welt, oder gar ein Zeichen von Fortschritt, von Individualität. So findet zur ästhetischen Gestaltung des öffentlichen Raums kaum ein konstruktiver Diskurs statt. Eigene Interessen sind von der Gesellschaft als ultimative Freiheit hinzunehmen.

 

Hinzu kommt ein immer größer werdendes Missverständnis von Luxus und Luxusgütern. Markenansehen, hohe und höchste Preise (die oftmals lediglich der Ausschüttung für den Shareholder-Value dienen) werden als Indikatoren für Luxus verherrlicht. Auf Wertigkeiten wie Qualität, Herstellung und Herkunft wird kaum geachtet – die Wertschöpfungsketten sind bei „Must-haves“ schlichtweg schnurz – von Fast-Fashion ganz zu schweigen.

 

Der globalisierte Geschmack kennt kein Gemeinsinn und keine Tiefe. Dazu müsste er sich von seiner Egozentrik lösen und den Blick über den eigenen Tellerrand riskieren, sich eingehender und umfassender auf ein Thema einlassen. Das wiederum ist in gehetzten Zeiten des schnellen Social-media-weg-und-weiter-wischens nicht vorgesehen. Jede und jeder definiert nach eigenem Gutdünken, was Geltung hat und was nicht – mit dem Anspruch, dass diese Wertung aber bitte unanfechtbar ist.

 

Zwischenruf:

Der Neoliberalismus hat ganze Arbeit geleistet. Sehen wir uns dazu die jeweils besondere regionale Ästhetik an. Sie wurde in kürzester Zeit zugunsten einer globalisierten Billigheimer-Doityourself-Baumarkt-Un-Kultur ausgelöscht. Die Landstriche werden ärmlicher, veröden (auch kulturell) und mithin wuchert defätistisch die Interesselosigkeit an diesem Zustand. Ein sich immer weiter von der Lebensrealität entfernender Diskurs um das Thema „Ästhetik“ – nicht zuletzt auch in der Philosophie – ist ebenso eine Form von Armseligkeit und führt direkt zum Sahnehäubchen oben drauf: „Philosophie? Abstraktes Denken? Den nutzlosen Quatsch braucht die Welt nicht!“

Aber: Kultur setzt sich aus vielen Komponenten zusammen. Nicht nur Kleidung ist ein Zeichen von Kultur, sondern auch Interior-Design, Architektur, wie die Ästhetik insgesamt. Und: Nein: Es ist kein ökonomisches „Only-nice-to-have“, kein irrelevanter „Deko-Kram“ und wider jede „ökonomische Vernunft“. Sie ist vielmehr das Salz des Lebens und macht den Menschen zum Menschen.

Und auch hier wieder die reflexartig, immer mitschwingenden Keulen – zur Ergänzung der Eingangszitate: „Das sehe ich anders!“ – „So kann man das nicht sagen!“ – „Da fühle ich mich gekränkt.“

 

Um diese – zugegebenermaßen – mit einigem Aplomb kurz angerissenen Zustände für eine bessere, ästhetisch-attraktive und lebenswerte Zukunft umzukehren, braucht es den Abstand vom Ich als Zentrum, um die Dinge zu betrachten, wahrzunehmen, zu erkennen. So entsteht neues Wissen: über sich selbst, über Andere, über die Welt – als komplexes, sich gegenseitig bedingendes, unauflösbar verknüpftes Netzwerk.

 

Und: Es ist eine Reise zur „connaissance tacite“ (zum vorhandenen stillen Wissen), um eine neue Sicht einnehmen zu können und anzuerkennen, dass Alles im menschlichen Leben kommuniziert – gewollt und ungewollt – und damit eine beurteilende Bewertung aufgrund sinnlicher Wahrnehmungen ermöglicht, ja erfordert.

 

Moden, Materialien, Techniken, Farben, Geschmäcker verändern sich, aber ein gutes Gesamtkonzept überlebt diese Veränderungen, macht sie flexibel mit und bietet eine genuine Perspektive.

Denn: Es geht nicht nur darum etwas netter und schöner aussehen zu lassen. Es geht vielmehr um ein möglichst umfassendes ästhetisches Verständnis und um Lösungen in ihren unterschiedlichen Dimensionen kreativ zu denken – und um diese höchstmöglich mit Freude an Wissen und Können zu gestalten

…und darum muss über Geschmack gestritten werden.

 

Mit einem Zitat schließe ich diese Ausführungen:

„Es ist einem jeden vergönnt, seinen eigenen Geschmack zu haben, und es ist rühmlich, sich von seinem eigenen Geschmack Rechenschaft zu geben suchen. Aber den Gründen, durch die man ihn rechtfertigen will, eine Allgemeinheit erteilen, die, wenn es seine Richtigkeit damit hätte, ihn zu dem einzig wahren Geschmacke machen müsste, heißt aus den Grenzen des forschenden Liebhabers herausgehen und sich zu einem eigensinnigen Gesetzgeber aufwerfen.“

Dies sagte Gotthold Ephraim Lessing vor ca. 250 Jahren.

 

 

 

Matthias Franck

 

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*Immanuel Kant

 

 


Beitragsbild-Contor-Franck-Führungskultur

Ästhetik und Führungskultur – Ein imaginäres Interview in Fragen und Antworten:

  1. Die Unternehmensführung befindet sich im Wandel. Was ist dabei die wichtigste Veränderung?

 

Eine der wesentlichen Veränderungen in der Unternehmensführung ist meiner Ansicht nach, dass der Mensch mit seiner individuellen Persönlichkeit und seinem eigenen Willen wieder in das Zentrum rückt und dadurch Arbeit neu definiert wird, bzw. neu definiert werden muss. Der Mitarbeitende wird immer mehr in seiner Rolle als ernst zu nehmender Stakeholder wahrgenommen und nicht mehr als Objekt in einer Controlling-Liste, worin er lediglich als Kostenfaktor geführt wird, von dem sich das Management mit einem Seufzer der Erleichterung nach Ablauf der Befristung wieder trennt, um nach günstiger zu bezahlenden Bewerbern Ausschau zu halten. Eine unnachgiebige Realität, die trotz tagtäglicher Lippenbekenntnisse in sämtlichen Medien nicht von ihrer Gewalt lassen will – aber die Zukunftsmusik ist leise im Hintergrund zu hören und spielt sich mit zunehmender Lautstärke in den Vordergrund.

 

Mit zunehmender Digitalisierung und Automatisierung, nimmt der Stellenwert von kreativer und damit selbständiger Arbeit zu, denn kein Algorithmus kann Kreativität hervorbringen.

So erhöht sich der Wert menschlicher Arbeit, mit all ihren impliziten Kategorien und muss taktisch und strategisch in der Führung von Unternehmen absichtsvoll und kompetent eingebunden werden.

 

Damit einher geht der Abschied vom linearen, eindimensionalen Denken und Lenken. Immer deutlicher zeigt sich, dass die Unternehmen gut für die Zukunft aufgestellt sind, die eine mehrdimensionale Steuerung fahren, die Flexibilität ermöglicht und diese in vorausschauende, gesamtkonzeptionelle Maßnahmen einbetten.

 

Mit in dieses Thema spielen die Erkenntnisse aus der Quantenphysik, die allmählich unseren Blick auf die Welt verändern. Anstelle der bisher angenommenen mechanistische und objektivierten, zeitlich determinierten Welt, entblättert sie sich als genuin kreatives Beziehungsgefüge mit dynamischen Kann-Möglichkeiten – sehr, sehr verkürzt angerissen...aber wichtig für das sich verändernde Verständnis.

 

Auch mit diesen Veränderungen wandeln sich Führungs- und Unternehmenskulturen, wobei ich der festen Überzeugung bin, dass die Verankerung von Ästhetik in der Unternehmensphilosophie dazu beiträgt, diese gestalten zu können.

 

 

  1. Welche Rolle spielt es dabei, bei der Arbeit Sinn zu stiften?

 

Die Veränderungen in der Arbeitswelt stellen den Status quo in Frage. Arbeitsumstände, Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Arbeitsergebnisse stehen auf dem Prüfstand und werden immer stärker ausgehandelt.

Neben der extrinsischen Motivation, rückt zunehmend die intrinsische Motivation in den Fokus, und damit verbunden die Frage nach dem Sinn der Arbeit. Ich möchte den Begriff des „Sinns“ jedoch um den Begriff „Bedeutung“ erweitern. „Bedeutung“ beinhaltet einen Sinn und gibt den damit verbundenen Kategorien mehr Raum. Allerdings müssen der Sinn bzw. die Bedeutung eines Unternehmens schon irgendwo vorhanden und zu finden sein; kreieren lassen sich diese nicht.

 

Dominic Veken: „Nur wenn wir den Sinn eines Unternehmens kennen und er uns bei der Arbeit bewusst ist, haben wir das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein und unsere Zeit in etwas zu investieren, für das es sich lohnt zu streiten, zu kämpfen, sich anzustrengen.“ Besser kann man das nicht auf den Punkt bringen.

 

Die Rolle der Sinnstiftung gewinnt immer mehr an Bedeutung, denn sie ist unmittelbar mit dem Thema Loyalität und der nächsten Frage verbunden.

 

 

  1. Was können Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels noch tun, um hoch qualifizierte Arbeitnehmer an das Unternehmen zu binden?

 

Eine sehr weit ausgreifende Frage, die in so viele Bereiche hineinreicht, dass ihre Beantwortung den Rahmen dieses Interviews sprengen würde. Deshalb eine nur sehr kleine Beleuchtung im Hinblick auf das Thema „Ästhetik“, welches aber nur gelingen kann, wenn eine Gesamtschau auf ein Unternehmen zugelassen wird.

 

Schon seit der Jahrtausendwende, wurde in Fachartikeln auf die Zeiten des Fachkräftemangels hingewiesen. Und schon damals wurden die unterschiedlichsten Strategien vorgestellt, um diesem Mangel zu begegnen.

Hierfür wird die Attraktivität der Arbeitgebermarke als Ergebnis des Employer-Branding als Teil der Außendarstellung immer wichtiger. Da reicht es nicht mehr aus, sich nach außen hin glänzend darzustellen und ein Blendfeuerwerk zu zünden. Nein, in den Zeiten von digitalen Bewertungsplattformen, digitaler Vernetzung, sozialen Medien etc. kommt es entscheidend darauf an, dass auch die internen Strukturen, die jeweilige Kultur und die Werte einer Überprüfung standhalten.

 

Hierfür müssen aus meiner langjährigen Erfahrung heraus die folgenden Fragen positiv beantwortet werden können: Gibt es z.B. Mitarbeiterbefragungen, die nicht nur um ihrer selbst durchgeführt werden und ganz konkrete, positive Auswirkungen für die Mitarbeitenden haben. Gibt es eine Personalabteilung, die FÜR die Mitarbeitenden da ist und nicht nur dazu genötigt/missbraucht wird, Entscheidungen des Managements zu verkaufen. Gibt es Entwicklungsmöglichkeiten, bei denen die Qualifikation im Mittelpunkt stehen? Wie groß sind Gestaltungsfreiräume, um mit Kompetenzen und Fähigkeiten den Erfolg des eigenen Verantwortungsbereichs und damit den des Unternehmens insgesamt zu beeinflussen? Sind die Entlohnungsgrundsätze gerecht ausgestaltet? Wird die individuelle Work-Life-Balance berücksichtigt? Werden ältere Mitarbeitende ob ihrer Erfahrung geschätzt? Gibt es gelebte, ernst gemeinte Kundenorientierung? Gibt es Weiterentwicklungsmöglichkeiten? Gibt es eine positive Fehlerkultur?

 

Werden diese Fragen überzeugend und nachprüfbar positiv beantwortet, vermitteln sie spürbare Wertschätzung und hohe Identifikation wobei Vertrauen und ein Gemeinschaftsgefühl entstehen, die zu nachhaltiger Bindung führen.

Und darüber hinaus: Sind die Bindungsinstrumente mit einem ästhetischen Gesamtkonzept verknüpft, entsteht für die Arbeitgebermarke eine positive Botschaft.

 

 

  1. Ist Ästhetik das Führungsinstrument der Zukunft und wie kann man sich das vorstellen? Wie können Führungskräfte schöner führen?

 

Ästhetik möchte ich nicht mit „Schönheit“ verwechselt wissen. Das geht mir dann doch zu sehr in Richtung geschmacklicher Standpunkte oder wissenschaftlich nachweisbarer Bereiche von „Schönheit“.

Ästhetik geht vielmehr darüber hinaus und beschreibt eine sinnliche Wahrnehmung mit wertender Beurteilung.

 

Im unternehmensspezifischen Kontext ist Ästhetik im besten Sinne ein Führungsinstrument, weil 70 bis 80 Prozent des Erfolgs von Emotionen und Sympathie abhängen.

Mit der Entwicklung einer unternehmensspezifischen Ästhetik wird die angestrebte Kultur sichtbar. In diesen Entwicklungsprozess sollten die Mitarbeitenden unbedingt mit einbezogen werden. Denn eine Frage für die Analyse lautet: Haben alle Unternehmensbereiche dasselbe Verständnis von der ästhetischen Leitlinie – oder gibt es eine Kluft zwischen Management und Mitarbeitenden – wie allenthalben zu beobachten ist?

Die dadurch unter anderem angestrebte Förderung der Identifikation kann nicht anders gelingen.

Und eines gilt: Gute Führung muss nicht neu erfunden werden. Sie ist allerdings häufig Controlling-Maßnahmen zum Opfer gefallen...aber das ist wieder ein eigener Themenkomplex für sich.

 

Ein überzeugend ästhetisches und in die Unternehmensführung integriertes Gesamtkonzept trägt dazu bei, dass Mitarbeitende bei der Differenzierung des Unternehmens mitwirken – mit direkten ökonomischen Auswirkungen – und Kunden ein Unternehmen bevorzugen, das attraktivere Assoziationen transportiert – mit direkten ökonomischen Auswirkungen...und zusammen mit all den vorgenannten positiven Aspekten, die sich aus der Beschäftigung mit Ästhetik ergeben, entwickelt sich auch gleichzeitig „schöneres“ Führen.

 

 

  1. Was bewirkt es, Ästhetik in die Führung zu integrieren?

 

Indem das Thema „Ästhetik“ in die Unternehmensstruktur integriert wird, formt sich ein Rahmen um sämtliche Managementprozesse und generiert damit die emotionale Rendite.

Werden ästhetische Themen auf allen Ebenen implementiert, fördert dies vernetztes Denken, einen konstruktiven Umgang mit Komplexität und einen mehrdimensionalen Blick, der die Gesamtheit erfasst, über den einzelnen Arbeitsplatz, über den Unternehmensbereich hinaus, co-kreative Teams können sich bilden.

 

Insgesamt wird kreatives Denken und Handeln ermöglicht, weil Erkenntnisse gewonnen werden, der Status quo hinterfragt wird. Wechselwirkungen können nicht mehr ausgeblendet werden, verschiedene Kommunikationsebenen bilden sich heraus.

 

Ästhetik bedeutet Orientierung zu geben und damit Vertrauen zu schaffen. Durch ein ästhetisches Gesamtkonzept erhalten Unternehmenswerte einen unverwechselbaren Ausdruck. Es entsteht eine unternehmensspezifische Einheit, die Identifikation befördert.

 

Ästhetik ist mehrdimensional, komplex, und als Werkzeug eingesetzt, gelingt die Gestaltung von Konzepte kohärent und anspruchsvoll und vernetztes Denken wird gefördert.

Ästhetik leistet einen positiven, ausgleichenden Beitrag, um Klarheit für Werte, Ziele, Kultur und Philosophie zu erlangen; sie schafft Harmonie und verhindert Beliebigkeit, Unordnung und Unsicherheit.

Ästhetik ist grundsätzlich eine abstrakte Dimension, sich dem Verständnis für die Welt und Erkenntnisse über die Welt zu nähern, mit motivierender und anregender Wirkung.

 

Hier entwickelt sich ein neuer Kern in der Unternehmensführung: die emotionale Bindung der Stake- und Shareholder durch das Gestalten höherer Motivationen und größerer Identifikationen in einer neuen ästhetischen Dimension.

 


Foto_Mitschnitt_DGÄ_Kongress_2021

Kritische Intervention zur ästhetischen Instabilität

Zum Thema „Ästhetische Instabilität“ ein Video-Mitschnitt vom XI. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ästhetik – DGÄ – vom 13. Bis 15.07.2021 / Panel 15 „Kritische Interventionen

 


DÄI_Foto_Reflexionen_Teil_II

Die ästhetische Instabilität – eine essayistische Montage in 4 Teilen (Teil 4)

TEIL IV

Universale Werte

Damit der Raum der Digitalisierung an ästhetischer Stabilität gewinnt, ist ein stabiles Fundament von universal geltenden Werten erforderlich – und dies nicht als Wertehegemonie in europäischer, amerikanischer oder chinesischer, nicht in kapitalistischer oder sozialistischer Ausprägung, nicht mit christlichem, islamischem oder sonstigem religiösem Verständnis – sondern global, kosmopolitisch und universal.

Der Diskurs zu Begriffsklärungen ist unabdingbar. Denn: „Eine […] Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens besteht in einer politischen Ordnung, die die Willkür aller Menschen einschränkt und ihnen einen Freiraum persönlichen Handelns garantiert“, mit einem Rechts- und Verfassungsstaat, zu dessen „höchsten Werten die Menschen- und Grundrechte“[1] zählen.

Die Werte müssen nicht mit Blick auf Vorteil und Nutzen geschaffen sein, sondern einzig und allein auf allgemeingültigen, universalen Werten, die sich aus sich heraus bedingen und unvergleichbar sind.

„Die Würde der Menschheit besteht eben in der Fähigkeit, allgemein gesetzgebend, obgleich mit dem Beding, eben dieser Gesetzgebung zugleich selbst unterworfen zu sein“, ibid.  (III 66. f).“[2]

So ist die Würde ein absoluter Wert, von der ausgehend weitere abgeleitet werden können, die ihrerseits universale und absolute Geltung besitzen.

Für unsere Zukunft benötigen wir eine human-soziale Intelligenz, um Antworten auf die grundsätzlichen Fragen geben zu können:

„Was ist der Mensch? Was bedeuten wir füreinander, für die Umwelt, für die Erde im Ganzen? Zukunftsfähig erscheint...ein Denken, das Paradoxien auf einer neuen Ebene verbindet, Widersprüchliches zusammendenkt – ohne Furcht zu irren...“[3]

Auf die möglichen Wege dorthin werde ich hier nicht weiter eingehen; das Postulat für einen moralischen Fortschritt hat u.a. Markus Gabriel ausführlich formuliert: „Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten – Universale Werte für das 21. Jahrhundert“. Im Sinne einer Weltmoral mit der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen verpflichtet die Menschheit – wenn sie klug ist – „den Zivilisationsrahmen nicht auf geltungstheoretische westliche, sondern universalen Werten, mit dem Kategorischen Imperativ Kants in seinen beiden Formulierungen als Fundament.

Denn: „Der kategorische Imperativ, der überhaupt nur aussagt, was Verbindlichkeit sei, ist: handle nach einer Maxime, welche zugleich als ein allgemeines Gesetz gelten kann.“[4]

Ähnliche ethische Ansätze der Reziprozität verantwortlichen menschlichen Handelns lassen sich in vielen Kulturen der Welt als „Goldene Regel“ finden.

Ein guter und vermutlich der einzige Ausgangspunkt für den oben erwähnten Diskurs zur Findung universal verbindlicher und gesetzgebender Standards und Normen mit globaler Anerkennung und Geltung.

 

Die Zukunft

Menschen gestalten seit Jahrtausenden ihren Raum und damit die Dimensionen ihrer Leben und ihrer Erkenntnisse. Ästhetik ist in diesem Raum alles, was die Sinne anspricht und damit essenzieller Teil des Menschseins – wie die Luft zum Atmen. Diesen Raum gilt es wieder neu zu gestalten und mit Verantwortung, Moral und Hoffnung belastbar auszustatten, abkehrend vom cartesianischen Weg des Weltverständnisses mit seinem menschenzentrierten Blick auf Umwelt und Natur, mit neu ausgehandelten Gesellschaftsverträgen, in denen die Politik als „verhandelte Ordnung“[5] an der Zukunftsgestaltung mitwirkt und sie nicht tatenlos der Wirtschaft überlässt, denn „nichts ist weniger unschuldig, als den Dingen ihren Lauf zu lassen“ (Pierre Bourdieu).[6]

Friedrich Hayeks marktradikale „Idee auf jeden Aspekt unseres Lebens anzuwenden, negiert das, was uns ausmacht. Sie tritt das, was am Menschen am menschlichsten ist – unser Bewusstsein und unser Wille – an Algorithmen und Märkte ab und lässt uns nachahmend und zombiehaft zurück, […] bedeutet, die Bedeutung unserer individuellen Fähigkeiten zur Vernunft radikal abzuwerten – unsere Fähigkeit, unsere Taten und Vorstellungen zu begründen und zu bewerten. Dies führt dazu, dass die öffentliche Sphäre – der Raum, in dem wir Gründe anführen und die Begründungen andere infrage stellen – aufhört, ein Raum zu sein, in dem debattiert wird, und zu einem Markt von Klicks, Likes und Retweets verkommt.“[7]

Es gilt wieder Möglichkeiten sehen zu lernen, die menschliche Selbstachtung mit der Achtung der Umwelt und der Natur in Einklang bringen. Voraussetzung hierfür ist die bereits von Immanuel Kant geforderte Mündigkeit. Denn Mündigkeit ermöglicht es dem Menschen souverän Ordnungen entwerfen und gestalten zu können. Die jetzige Un-Ordnung ist kein unentrinnbares Schicksal. Es kann auch eine andere Ordnung, ein anderes Beziehungsgefüge entworfen werden, die als ästhetisch stimmig empfunden werden und damit einen positiven Zukunftsentwurf darstellen. Die ästhetische Instabilität ist ein Thema von vielen, das sich unter der „Monokultur des ökonomischen Denkens“[8] mit ihren Ängsten und Werteverlusten subsumiert.

Vielmehr: „Die menschliche Seele benötigt mehr Ideale als Realitäten. Mit der Realität lebst du, mit den Idealen existierst du.“ (Victor Hugo). Mit dem Abgleich dieser beiden Aspekte ergeben sich Vorstellungen von einer gewünschten Zukunft und deren Ausgestaltung, die sich nach den Idealen hin ausrichten lässt, so wie im Schritt davor die Kritik an der jeweiligen Realität – und wie Thomas Mann seinen Charakter Settembrini im Zauberberg formulieren lässt: „Kritik bedeutet den Ursprung des Fortschritts und der Aufklärung…“[9]

In der Kritik treffen sich individuelle und kollektive Gestaltungsmöglichkeiten mit der Offenheit der Zukunft, die davon bestimmt wird, woran wir unser Handeln in der Gegenwart orientieren. Mit der Kritik entwickelt sich die Empörung, „[…] als Grundlage der Souveränität des Volkes und als Motor der Geschichte“[10] – die Theorie Diderots, die er in der Encyclopédie aufstellt.

Ästhetik sowie auch der Anspruch dazu wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr vernachlässigt und entwertet und ist durch die Strategie der Verinnerlichung gekennzeichnet, dass es zur ökonomischen Entgrenzung keine Alternative gibt. Eine Entgrenzung, die mit der Digitalisierung und der damit einhergehenden Erweiterung der Identitäten noch ausufernder wurde: privat, öffentlich, beruflich, geschäftlich, vermischen sich bis zur Unkenntlichkeit, mit fließenden, unscharfen Grenzen – und damit mit immer weniger Luft zum Atmen.

„Die Strategie des Produktivismus ist der vergebliche Versuch des modernen Menschen, seiner transzendentalen Obdachlosigkeit zu entfliehen.“[11] Um wieder gesellschaftliche Ziele in den Fokus zu rücken, wie auch den würdelosen Umgang mit der Natur zu überwinden, kurz: um dem Gemeinsinn wieder in das Zentrum des Denkens und Handelns zu bringen, braucht es den Willen zur Erkenntnis. Erkenntnisse vollziehen sich dabei ausnahmslos über unsere Sinne. Um sie zu formulieren, sich bewusst zu machen, bedient man sich der Sprache. Auf diese Weise lassen sich Geschichten, kollektive Erzählungen über die Welt, den Raum um uns auch mit anderen Worten wahrnehmen und erzählen und sind damit veränderbar. Die Erkenntnisse der Bedeutung des Konzepts der Information – und ihrem Verhältnis zu den Konzepten Zeit und Raum - stehen vermutlich erst am Anfang, wie das Verständnis zum Phänomen der Quantenverschränkung.

Der Gemeinsinn und kollektives Denken werden in den kommenden Jahren wieder viel stärker ausgeprägt sein müssen, um die herannahenden Katastrophen abzuwenden oder in Teilen in den Griff zu bekommen. Die ästhetische Anschauung und Aufmerksamkeit und deren Stellenwert kann diese Entwicklung nur positiv begleiten und verstärken, denn sie sensibilisiert für komplexe Zusammenhänge und löst dogmatische Widersprüche auf.

„Um eine unabänderliche Transformation denken zu können und um sie fühlen zu lernen […]“, also im besten Sinne das ästhetische Empfinden, Wahrnehmen, Erkennen, „[…] müssen neue Bilder angeboten, Räume für Experimente geöffnet werden, die eine Verbindung zwischen Begriffen und Gefühlen schaffen […]. Die Geschichte eines neuen Zusammenlebens aber braucht sie, um entstehen zu können und denkbar zu werden.“[12]

Es braucht ein zweites Zeitalter der Aufklärung das an das erste anknüpft. Das erste war geprägt von der Freiheit von der Verinnerlichung gottgegebener Strukturen, das zweite bringt die Freiheit von der Verinnerlichung ökonomischer Strukturen, die sich als unabänderlich – und schier religiös – in das Bewusstsein eingebrannt haben. Hierzu sind Quantentheorie und Erkenntnisse der Quantenphysik metaphorisch zu integrieren, um so die beherrschende Illusionslosigkeit, Angst und bleierne Regungslosigkeit zu überwinden.

„Schon Kant betonte, dass die Aufklärung ein niemals abgeschlossener Prozess ist. Die Umstände, unter denen Menschen aufwachsen und sich in ihrem Denken emanzipieren müssen, wechseln immer wieder.“[13]

“Wer aber von Furcht beherrscht wird, der ist nicht fähig, vernünftig zu argumentieren […], ist aber das Gehirn verwirrt, so glaubt man alles und prüft nichts. Unwissenheit und Furcht – dies sind die Hebel aller Religionen […]. Die Furcht wird dem Menschen zur Gewohnheit und schließlich sogar zum Bedürfnis; er würde glauben, es fehle ihm etwas, wenn er nichts zu befürchten hätte.“[14] Aus dieser Angst heraus bringt die Gesellschaft die größten Opfer und glaubt an jedes ökonomische Heilsversprechen – und sei es mit wissenschaftlichen Fakten oder gesundem Menschenverstand bereits widerlegt.

Untrennbar in diesem Konzept der Gesamtheit vernetzter Zusammenhänge ist damit auch die Verantwortung verbunden, einzubetten in ein universell gültiges Prinzip, das der Orientierung im Ganzen des Lebens gerecht wird mit seinen Abständen und Näheverhältnissen zwischen den Dingen und den Rhythmen und Resonanzen. Es geht darum, den Sinn für die Verhältnismäßigkeit der Dinge zueinander wieder zu erlangen, diese wieder in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen, die Indifferenz gegenüber allen Werten zu überwinden.

Definiert wurde eine solch universelle Orientierung als unbedingt und ausnahmslos geltendes Prinzip bereits vor 250 Jahren in vollkommener Helligkeit durch Immanuel Kant. Der Kernsatz der Philosophie Kants – „die Weltformel der menschlichen Moral“ (Tobias Hürter) - lautet: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne!“[15]

„Damit hat Immanuel Kant den Möglichkeitsraum des Menschen neu vermessen, einen Raum, der […] sich erst erschließt, wenn wir das ‚moralische Gesetz‘ in uns entdecken und zur Richtschnur unseres Lebens machen.“[16] Zu alledem muss sich die Aufhebung des Verständnisses stellen, das Kunst und Wissenschaft als Unterschied, ja Entgegensetzung betrachtet, sondern diese wieder als Gesamtbild, als natürliches Gesamtkonzept begreift, als einen Komplex aus Wissen und Können, Wahrnehmen und Denken mit den sich damit ergebenden Möglichkeiten. Hierfür braucht es einen übergeordneten Rahmen zur Absicherung von Würde und Souveränität, damit „jede/r nach seiner Façon selig werden kann“ (Friedrich II).

Peter Bieri: „Das kulturelle Gewebe, in dem Menschen leben, ist weder einheitlich noch unveränderbar […]“[17] und auch immer mit Verantwortung, Mündigkeit und Freiheit verschränkt. Zu den Verschränkungen, die dazu beitragen dem Gesamtgefüge mit wichtigen Kategorien Stabilität zu verleihen, zählt die historische Urteilskraft. „Historische Urteilskraft setzt voraus, den eigenen Blick kritisch zu hinterfragen, die Begrenzungen des eigenen Sichtfelds wahrzunehmen und so verschiedene Perspektiven anzuerkennen. Wer in diesem Sinne urteilt, orientiert und positioniert sich in der Welt – und in der Geschichte.“[18]

Ästhetische Dimensionen formen Subjektivität und sind eingebunden in eine größere Wahrnehmungsgemeinschaft. Sie beruhen auf vernetztem Denken und entstehen nicht zuletzt kreativ. Denn Kreativität verbindet frei von Gesetzmäßigkeiten bisher unverbundenes, setzt vorhandene Elemente neu ordnend zusammen, strukturiert Möglichkeiten, verschiebt Grenzen und handhabt Friktionen konstruktiv.

Die ästhetische Erscheinung ist ein zusammenhängendes Gefüge und komplexes Geflecht, das sich als individuelle Anschauung in der subjektiven oder pluralistischen Wahrnehmung nur in ihren Teilen erschließt. Ästhetische Erkenntnis ist insofern immer unvollständig. Somit bestehen immer erweiternde, potenzielle Möglichkeiten – nicht jedoch deren objektiver Charakter. Dies entspricht Deutungsmöglichkeiten, Aussagen und Erkenntnissen aus der Quantenphysik, die zunehmend unsere Wahrnehmung der Realität mit ihren Implikationen für das Alltagsverständnis verändern, wobei immer deutlicher zutage tritt, dass die Welt weniger fix und linear und vielmehr verbunden verstanden werden muss, als dies bislang der Fall war.

Passt dazu Anton Wilhelm Amos Apatheia, 82: „[…] ‚Leben‘ und ‚existieren‘ sind nicht Synonyma. Alles, was lebt, existiert, aber nicht alles, was existiert, lebt“?[19]

„Es handelt sich in der Quantentheorie um eine neue Art, die Wahrnehmungen zu objektivieren. […] Jede Wahrnehmung bezieht sich auf eine Beobachtungssituation, die angegeben werden muss, wenn aus Wahrnehmung auch Erfahrung folgen soll […]. Damit kann die Quantentheorie als Physik der Beziehungen und Möglichkeiten charakterisiert werden. Diese Beziehungen erzeugen gegenüber einem bloßen additiven Nebeneinander Ganzheiten, die sehr viel mehr sind als die Summe ihrer Teile, wobei diese Teile nicht mehr eigenständig, sondern letztlich nur noch virtuell der Möglichkeit nach existieren.“[20]

Im Ganzheitscharakter der Quantentheorie „[…] dagegen sind die Möglichkeiten eines Systems festgelegt, nicht jedoch deren Realisierung als Fakten […]. Da diese möglichen Fakten jedoch nur im Rahmen der naturgesetzlichen Möglichkeiten realisierbar sind, hat der quantenphysikalische Zufall nichts mit einer strukturlosen Willkür zu tun.“[21]

Eine Erweiterung des konzeptiven Verständnisses der Welt mit noch nicht absehbaren Einflüssen – nicht zuletzt auf die Philosophie.

Dies kann ganz im Sinne von Kant verstanden werden, wonach wir nie im Stande sein werden, das „Ding an sich“ zu erkennen und sich die Welt uns vielmehr „nur“ in ihrer gegebenen Komplementarität erschließt.

Die ästhetische Stabilisierung wird damit nicht zuletzt auch zu einem erkenntnispraktischen und zugleich/sowie -theoretischen Unterfangen.

 

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[1] Siehe 32

[2] Eisler, Rudolf: »Kant Lexikon«. Hildesheim, 2015. Nachdruck der Ausgabe Berling 1930. Weidmannsche Verlagsbuchhandlung.

[3] Dr. Phi. Dellbruegger, Guenther: »Das Wahre ist das Ganze – Hegels ringen um eine menschliche Intelligenz«. 2020. Verlag Urachhaus.

[4] Kant, Immanuel: »Rechtslehre – Einleitung in die Metaphysik der Sitten«. Königsberg, 1797.

[5] Vilas, Manuel: »Die Reise nach Ordesa«. 2020, Berlin Verlag.

[6] Reitz, Michael: »Das Denken Pierre Bourdieus im 21. Jahrhundert – Noch feinere Unterschiede?«. 26.11.2017, Deutschlandfunk

[7]  Matcalf, Stephen: »Die Idee, die die Welt verschlingt«. 21.12.2017, Der Freitag.

[8] Graupe, Silja: »Viele wollen sich einmischen«. 30.06.2020, der Freitag.

[9] Mann, Thomas: »Der Zauberberg«. 1982, Büchergilde Gutenberg.

[10] Diderot, Denis e.a.:  »Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers«. 1751, André le Breton.

[11] Kindsmüller, Werner: »Insolvenz Der Moderne – Warum wir neue Wohlstandsmodelle brauchen«. 2015, Band 1, tredition Verlag.

[12] Vgl. 14

[13] Hürter, Tobias: »Ich sehe das anders«. 19.10.2018, Die Zeit.

[14] d’Holbach, Paul Henri Thiry: »Der gesunde Menschenverstand – Aufklärerische Streitschrift und grundlegendes Dokument der Religionskritik«: 2016, Alibri Verlag:

[15] Vgl. 22

[16] Vgl. 38

[17] Bieri, Peter: »Wie wollen wir Leben? – Ich möchte in einer Kultur der Stille leben, in der es vor allem darum ginge, die eigene Stimme zu finden«. 2013, Deutscher Taschenbuch Verlag.

[18] Gross, Raphael: »Historische Urteilskraft«. 2019/01, Magazin des Deutschen Historischen Museums.

[19] Amo, Anton Wilhelm: »Apatheia, 82«. Dissertation 1734, Universität Wittenberg-Halle. In: polylog.net – Ausgabe 25/2011: Bekele Gutema: »Anton Wilhelm Amo«

[20] Heisenberg, Werner: »Quantentheorie und Philosophie«. 1979, Reclams Universalbibliothek.

[21] Mann, Frido und Christine: »Es werde Licht – Die Einheit von Geist und Materie in der Quantenphysik«. 2017, S. Fischer Verlag

 

 

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Zitate, Literatur, Empfehlungen

Amo, Anton Wilhelm – Diss. 1734, Universität Halle-Wittenberg.

Arendt, Hannah – The Aftermath of Nazi Rule: Report from Germany – Oct. 1950, Comentary Magazine.

Assheuer, Thomas – Was macht der Weltgeist? – 06.08.2020, Die Zeit.

Bauer, Thomas – Die Vereindeutigung der Welt – Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt – 2018, Reclams Universalbibliothek.

Beschorner, Florian und Krause Florian – Algorithmen entscheiden nichts – 16.08.2021, philosophie magazin.

Bieri, Peter – Wie wollen wir Leben? – Ich möchte in einer Kultur der Stille leben, in der es vor allem darum ginge, die eigene Stimme zu finden – 2013, Deutscher Taschenbuch Verlag.

Blom, Philipp – Das große Welttheater – Von der Macht der Vorstellungskraft in Zeiten des Umbruchs – 2020, Paul Zsolnay Verlag.

Bourdieu, Pierre.

Bragg, Billy – Die drei Dimensionen der Freiheit – Ein politischer Weckruf – 2019, Wilhelm Heyne Verlag.

Decker, Samuel – Traut Euch! – 02.07.2020, der Freitag.

Dierksmeier, Claus – Qualitative Freiheit – Selbstbestimmung in weltbürgerlicher Verantwortung – Mai 2016 – transcript-Verlag.

Enthoven, Raphaël – Diderot und die Freiheit – Nr. 6 2017, Philosophie Magazin.

Prof. Dr. Gabriel, Markus – (Carla Braun) – Es ist eine verkehrte Welt, wenn Gutmensch ein Schimpfwort ist – 02.08.2020, Zeit Magazin.

Graupe, Silja (Pepe Egger) – Viele wollen sich einmischen – 30.06.2020, der Freitag.

Gross, Raphael – Historische Urteilskraft – 01 2019, Magazin des Deutschen Historischen Museums.

Han, Byung-Chul – Vom Verschwinden der Rituale – Eine Topologie der Gegenwart – 2019, Ullstein Verlag.

Heisenberg, Werner – Quantentheorie und Philosophie – 1979, Reclams Universalbibliothek.

Hessel, Stéphane – Empört Euch! – 2011, Ullstein Verlag.

Hochmann, Lars – Wir müssen Wirtschaft grundlegend neu denken – 27.08.2020, Capital.

d’Holbach, Paul Henri Thiry – Der gesunde Menschenverstand – Aufklärerische Streitschrift und grundlegendes Dokument der Religionskritik – 2016, Alibri Verlag.

Hugo, Victor.

Hürter, Tobias.

Kant, Immanuel.

Harry Graf Kessler.

Kindsmüller, Werner – Insolvenz Der Moderne – Warum wir neue Wohlstandsmodelle brauchen – Band 1, 2015, tredition Verlag.

zur Lippe, Rudolf – Neues Denken – warum und wie? Herbst – 2005, Forum Futur, Zukünfte 51.

Löw, Martina, Volkan Sayman, Jona Schwerer, Hanna Wolf (Hg.) – Am Ende der Globalisierung – Über die Refiguration von Räumen – 2021, transcript Verlag.

Mallarmé, Stéphane – La musique et les lettres – 1895, Libraire Académique Didier.

Mann, Frido und Christine – Es werde Licht – Die Einheit von Geist und Materie in der Quantenphysik – 2017, S. Fischer Verlag.

Mann, Thomas – Der Zauberberg – 1982, Büchergilde Gutenberg.

Nöfer, Tobias (und Michael Psotta) – In Kopenhagen ist man schon weiter – 10.01.2020, Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Peteranderl, Sonja – Ein Himmel, der mit fliegenden Autos übersät ist, wäre ein Albtraum – Indigene Stadtplanung – 12.04.2021, Der Spiegel.

Pfaller, Robert – Die blitzenden Waffen – Über die Macht der Form 2020, S. Fischer Verlag.

Schmüser, Caroline mit Theresa Bäuerlein – Geschlechterklischees – 14.01.2021, krautreporter.

Shaviro, Steven – Akzelerationistische Ästhetik, in: Die Pinocchio Theorie – 2018, Merve Verlag Leipzig.

Szymanski, Mike – Das Haßloch Experiment – Der deutsche Testmarkt – 19.05.2010, Süddeutsche Zeitung.

Tönnesmann, Jens – Glücklich enteignet – 06.08.2020, Die Zeit.

Vahland, Kia – Erobert die City zurück – 03.08.2020, Süddeutsche Zeitung.

Vilas, Manuel – Die Reise nach Ordesa – 2020, Berlin Verlag.

Vinken, Barbara – Mode in der Pandemie – Willkommen in der Hypermoderne! – 23.03.2021, Frankfurter Allgemeine / Debatte.

Wieland, Dieter – Wir brauchen eine neue Aufklärung – 03.01.2020, OPEN SPACE ZEITZ.

Zeilinger, Anton – Quantenphysiker.

Zweig, Stefan – Die Monotonisierung der Welt – 1990, S. Fischer Verlag


DÄI_Foto_Reflexionen_Teil_III

Die ästhetische Instabilität – eine essayistische Montage in 4 Teilen (Teil 3)

TEIL III

Die digitalen Räume der menschlichen Existenz

Der Raum menschlicher Existenz, von der individuellen bis hin zur globalen Ebene, wird durch die unaufhaltsame Digitalisierung mehr und mehr verändert und ausgedehnt. Zudem kommen immer mehr Räume in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens hinzu und werden miteinander verwoben. Die Ausstattung und Ausgestaltung dieser Räume befinden sich in einem ständig fortschreitenden Prozess.

Begleitet wird diese Entwicklung von Gefühlen des Unbehagens, konkreten und diffusen Ängsten, von psychologischer Verdrängung und Abwehr – nicht zuletzt ein Signal für ästhetische Instabilität.

Denn wir können uns noch kein Bild vom Ganzen machen. Erkenntnisse bleiben nur Aggregate und sind noch weit entfernt von der Erkenntnis des Systems als Ganzem, das letztendlich mehr als die Summe aller Teile sein wird.

Dieser Prozess ist Teil der Globalisierung, die bislang von wirtschaftlichen Interessen vorangetrieben wurde. Doch sie ist weit mehr als ein wirtschaftlicher Vorgang. Die Verflechtungen vollziehen sich ebenso auf wissenschaftlicher, politischer und kultureller Ebene.

Immer deutlicher wird die immer größer werdende Komplexität. Gleichzeitig hat die Covid-19-Pandemie erheblich zu der Erkenntnis beigetragen, dass die lebenswerte Zukunft in einer globalisierten Gesellschaft nicht allein vom Leistungsgedanken und von Gewinnmaximierung getrieben werden darf – zumal die Beweise offen auf dem Tisch liegen, dass ungeregelte Wirtschaftsfokussierung Gesellschaften zerstört und rechtsnationale, faschistische Tendenzen begünstigt.

„Es braucht auch Gemeinsamkeiten, die mit der Sprache oder einer wohldefinierten Mehrsprachigkeit der Rechtstexte und öffentlichen Debatten beginnen. Mit der Wirtschaft verdient eine Gesellschaft ihren Lebensunterhalt, mit Recht, Menschenrechten und Demokratie genügt sie dem Leitwert der Gerechtigkeit. Ihren Zusammenhalt findet sie aber über die Sprache, ferner über Wissen und Philosophie, nicht zuletzt über Literatur, Musik, Kunst und Architektur.“[1]

Die Entgrenzung von Lebensräumen

Ästhetisch beschwert werden die digitalen Entwicklungen durch die Entgrenzung der Räume: Es verschwimmen Realität und Fiktion, Fakten und Emotion, Objektivität und Subjektivität. Und diese Grenzen sind fließend und lösen sich auf, Übergänge lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht definieren.

Diese Entgrenzung zieht psychologische Komponenten mit kognitiven und emotionalen Strukturen im Schlepptau mit. Menschliche Fähigkeiten und Kompetenzen zur Gewinnung von Erfahrungen und Erkenntnissen werden externalisiert, unkritisch, ja hilflos und in Teilen fatalistisch an Maschinen abgetreten. Eigenes, selbständiges Denken und Fühlen wird an eine vermeintlich höhere, nahezu allmächtige Instanz übertragen. Wie alt schon ist der Satz: „Es tut mir sehr leid, aber der Computer sagt ‚Nein‘.“

Der gesellschaftliche und internationale Diskurs rund um die Themen Digitalisierung und KI müssen auf dem Radar einer breiten Öffentlichkeit stattfinden – und nicht wie noch derzeit noch darunter, damit verbindliche Normen entstehen können.

Immerhin hat die Politik auf europäischer Ebene Handlungs- und Regelungsbedarf erkannt. Von der Europäischen Kommission wurde ein Weißbuch erarbeitet: „Zur Künstlichen Intelligenz – Ein europäisches Konzept für Exzellenz und Vertrauen“.[2] Dieses Whitepaper ist auch unter dem Gesichtspunkt der darin gewählten Sprache interessant, die sich am Verständnis von KI als zusammenhängendes Ökosystem orientiert.

Die in Deutschland für einen Teil der Bevölkerung eingeführte Corona-Warn-App ist ein beredtes Beispiel für einen Raum, den viele aus den unterschiedlichsten Gründen nicht betreten haben. Abgesehen von den im Vorhinein bekannten Hürden (z.B. der Besitz eines Mobilfunkgerätes an sich und nur als neueres Modell mit entsprechenden Funktionen), wurde die emotionale Ebene technokratisch vollkommen außer Acht gelassen. Im Fokus waren allein die technische Realisierung und Funktionsweise. Zudem hatten die enormen Kosten einen Beigeschmack, waren doch leistungsfähigere und erprobte Apps verfügbar – auch mit der Möglichkeit von europäischer Vernetzung.

Mit dem Verweis auf datenschutzrechtliche Grenzen wurden sinnliche Wahrnehmung, emotionales Lernen, Sammeln von Erfahrung, Herstellen von Zusammenhängen und Gewinnen von Erkenntnissen nur sehr begrenzt ermöglicht – mit dem bekannten Ergebnis.

Die Kernfragen der Digitalisierung

Dieses Beispiel macht Kernfragen und -probleme greifbar, die die Digitalisierung determinieren, werden immer greifbarer:

Wer in welchen Abhängigkeiten, mit welchem Psychogramm, mit welchem Weltbild und welchem Weltverständnis, mit welcher Motivation und welchen Motiven entwickelt und implementiert – und: wie gestaltet sich die Einführung, die Anwendung, wie entwickelt sich die Akzeptanz.

„Im Wortspiel der „Künstlichen Intelligenz“ verwechseln wir zwei fundamental verschiedene Kategorien: das Lösen strategischer Probleme, das sich als Intelligenz interpretieren lässt. Und das Bewusstsein, das in der Fähigkeit besteht, auf die Komplexität der Welt durch Kreativität und Gefühl zu antworten. Gefühle, Instinkte, Stimmungen, Wahrnehmungen, Berührungen sind Teil des Bewusstseins. Sie setzen uns in Beziehung zur Welt und zu uns selbst.“[3]

BCI

Ein Zukunftsraum der Digitalisierung, der immer größer und wichtiger wird, der immer konkretere Formen annimmt und immer mehr in den Alltag eintritt, sind „Brain Computer Interfaces, kurz: BCI (Synonym: Brain-Machine-Interfaces – BMI).

Diese „ermöglichen eine direkte Informationsübertragung zwischen einem organischen Gehirn und einem technischen Schaltkreis. Durch das Auslesen von Gedanken bzw. mentalen Befehlen können sie als neurotechnologische Eingabesysteme eine sprach- und bewegungsunabhängige Maschinensteuerung vermitteln.“[4]

Und:

„Noch ist die Vision einer schnellen, intuitiven und präzisen Gedankenkontrolle von Computern und Maschinen Zukunftsmusik, der beutende technologische Herausforderungen entgegenstehen...Ein besseres Verständnis darüber, wie neuronale Signale erfasst, interpretiert und sogar beeinflusst werden können, könnte langfristig den Weg für disruptive Entwicklungen ebnen. Bidirektionale BCI-Systeme, die sowohl Informationen auslesen als auch Signale ins Gehirn einspeisen können, könnten in ferner Zukunft eine maschinenvermittelte Hirn-zu-Hirn-Kommunikation ermöglichen und einen Grad organisch-technischer Interaktion erschließen, der die Grenzen zwischen Menschen und Maschine verschwimmen lässt.“ Diese signifikanten Fortschritte sind jedoch abhängig „davon, wie weit BCI gesellschaftliche Akzeptanz gewinnen können.“[5]

Für diese Akzeptanz ist es unerlässlich, dass den Fortschritt nicht allein die Gewinnmaximierung von Unternehmen determinieren.

 

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[1] Höffe, Ottfried: »Globalisierung? Ja bitte! – Warum universale Werte nicht nur westliche Werte sind«. 21.07.2007, WELT.

[2] EU-Kommission: »WHITE PAPER on Artificial Intelligence - A European approach to excellence and trust«. 19.02.2020. Eur-lex.europa.eu: Dokument 52020DC0065, (COM/2020/65 final).

[3] www.zukunftsinstitut.de/artikel/digitalisierung/6-thesen-zur-kuenstlichen-intelligenz/

[4] Dr. Heuer, Carsten M.: »Brain-Computer-Interfaces« in: Europäische Sicherheit & Technik. Dezember 2015. Das Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen berichtet über neue Technoligien.

[5] Ebd.


DÄI_Foto_Reflexionen_Teil_II

Die ästhetische Instabilität – eine essayistische Montage in 4 Teilen (Teil 2)

TEIL II

Die Orientierungslosigkeit der Mode?

In memoriam Prof. Dr. Dr. Harald Brost

Den Zeitgeist herauszufinden heißt, „nach der Schwangerschaft der Zeit zu fragen“, denn „Mode ist die in Farbe getauchte und in Falten gelegte Geschichte und Ausdruck einer Zeit.“[1]

Die ästhetische Instabilität kommt nicht zuletzt auch in der gegenwärtigen Mode zum Ausdruck: Überfeinerungen, Übersteigerungen und Wiederholungen modischer Elemente, Farben und Formen – insbesondere aus vergangenen Jahrzehnten – multiple, sich überlappende Richtungen mit einem Mischmasch aus Vintage und Neu – wobei im Neuen zwischen niedrig- und hochpreisig qualitativ kaum mehr zu unterscheiden ist – bieten keine Orientierung mehr und stecken gefühlt in einer Sackgasse. Doch mag es keine Orientierungslosigkeit sein, sondern kann vielmehr als ein Ausdruck verstanden werden für die Suche nach einem Weg in eine neue Zeit. Die Wellenbewegungen unterschiedlicher Richtungen schlagen hoch aus und glitzern oberflächlich als fortschreitende Individualisierung: Eine schmerzhafte Suche im iterativen Ausprobieren, dem Aufheben von Weiblichkeit und Männlichkeit und der Gleichzeitigkeit stereotyper Frauen- und Männerbilder – wie sie in multipler Ausprägung auf Instagram repetitiv gefüttert wird. „Eine Generation junger Männer zeigt gerade, dass ihr gendertypische Kleidung am Allerwertesten vorbeigeht.“[2]

In einer anderen gesellschaftlichen Schicht findet sich ein fast bis hin zur Tracht geronnener von britischen Vorbildern geprägter Stil einer Mittelschicht-Hegemonie, die diesen seit den Achtzigern adaptiert hat und bis hin zum social suicide – dem sozialen Selbstmord – nicht mehr von ihm lassen will. Einen Stil, der die britische Aristokratie kopieren will, den es in dieser Pastiche als Imitierung allerdings nie gegeben hat.

„Die Mode bietet einen […] Reichtum an soziologischen und kulturwissenschaftlichen Erkenntnissen darüber, wie sehr unsere zweite Haut Denk- und Glaubensmuster prägt und seither geprägt hat.“[3]

Sie wird insbesondere im deutschen Kulturkreis als trivial, nichtssagend und vernachlässigbar abgetan. Doch ist sie vielmehr eine wissenschaftliche, theoretische und philosophische Erfassung von wesentlichen Dingen, die sowohl induktiv als auch deduktiv Rückschlüsse und Erkenntnisse ermöglicht.

Im Pendelschlag und im Fortschreiten der Menschheitsgeschichte ist die Mode innerliche und äußerliche Selbstbehauptung – bis hin zur Neurotisierung. Sie gibt sich nicht zufrieden mit den aktuell gültigen Bekleidungsformen und ist – im Besonderen in diesen Zeiten – geradezu hospitalistisch im Abgleich vom Jetzt und Dann und Seismograph für sich verändernde Wertevorstellungen und soziologische Entwicklungen.

Befinden wir uns vor einem gesellschaftlich-politisch-ideologischen Bruch, weil das geistige Spiegelbild nicht mehr mit der Realität übereinstimmt, der Raum ästhetisch nicht mehr als stimmig empfunden wird? Und: ist darin ein Ausdruck der Zerstörung eines ganzheitlichen Lebensgefühls zu erkennen, das durch immer mehr Konsum, immer mehr Angst aus der vermeintlich sicheren Konformität auszubrechen gekennzeichnet ist? Denn auch andere Modeströmungen sind mittlerweile in Konformität auf Grund gelaufen.

Seit Jahren ist eine Verfestigung und Abgrenzung von Milieuzuordnung, -zugehörigkeit und Habitus beobachtbar: immer stereotyper, immer rigider, immer militanter und vorhersehbarer, mit „signature-pieces“ und „must-haves“ inklusive PKW-Vorlieben, Urlauben und Wohnungseinrichtungen sowie Restaurants und Freizeitaktivitäten – in immer größerer Emotionalisierung und Infantilisierung, mit aggressiv nach außen getragenem Maßstab in den Grenzen des eigenen Horizonts.

Wie besessen wird an ikonisierten Bildern festgehalten, die „la dolce vita“ der High Society mit Gunilla Gräfin von Bismarck tanzend auf dem Tischen in Marbella identifiziert und vom längst versunkenen Flair von Saint Tropez nicht loslassen will und den mörderischen Spaß des wilden Treibens im Studio 54 in New York der späten Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, in der Hasenheide in Berlin des 21. Jahrhunderts trotzig verzweifelt weiterfeiert.

Auch in der Mode fehlt es an Orientierung und einem entwickelbaren Zukunftsbild bzw. findet in der aktuellen Mode die Abstiegsphase einer Zivilisation ihren Ausdruck – einer Zivilisation, der es mehr und mehr an zivilisierten Umgangs-Formen so sehr mangelt. Ein prägnantes Beispiel für zivilisatorische Rokoko-Dekadenz sind Messen für Millionäre und Milliardäre, auf deren Marktplatz einem gesellschaftsmüden Publikum selbstbespiegelnde, ästhetisch fragwürdige Produkte präsentiert werden.

Ist hier ein Unterschied z.B. zu Luxusgegenständen Friedrichs II. von Preussen? Diese wurden anlässlich seines 300. Geburtstags in einer aufwändig kuratierten Ausstellung im Neuen Palais 2012 in Potsdam präsentiert und zusammen mit „Schatullenrechnungen“ ins Verhältnis zu durchschnittlichen und konkreten Lebenshaltungskosten seiner Untertanen gestellt – die Welten in diesen Unterschieden sprechen für sich. Es geht „um die Überwindung der hierarchisierten Subjekt/Objekt-Dichotomie, die die Moderne bestimmt. Subjekt unterwirft Objekt, Mensch unterwirft Welt und Andere.“[4]

Der jüngste modische Fauxpas einer Luxusmarke sei hier als augenfälliges und aktuelles Beispiel erwähnt: ein Corona-Acrylschild für ca. 1000 EUR, das nutzlos lediglich dazu dient, undefinierbare Emotionen zu befriedigen, sich gesellschaftlich zu erhöhen und dabei die Kassen zu füllen, den Aktienkurs auf Linie zu halten. Der hegemoniale Anspruch einer Elite wird immer luzider und verbirgt sich immer mehr.

Läden für dieses Klientel haben keine Schaufenster mehr, sondern nur noch Adressen in den teuersten Bezirken begehrter Metropolen mit diskreten Messingschildern, die weder erahnen lassen noch verraten, was in den Räumen drinnen an Waren oder Dienstleistungen feilgeboten wird.

Zu alledem kommt hinzu, dass überkommene Codes nicht mehr gelesen werden können und sich auflösen bzw. sich dermaßen überfeinern und damit für alle Welt sichtbar und unübersehbar werden: Vormals angesehene, hofierte und seriöse Manager mit überdurchschnittlichen Bezügen sind in ihrer Kluft durch ihr beseibelndes Agieren mittlerweile eher der Halbwelt zuzuordnen, mit dem sie eine ganze Zunft in Verruf bringen und damit Maßstäbe verschieben und entwerten – Banker sitzen in ihrer Uniform 40 Stunden in der Woche allein in einem Büro vor dem Rechner, doch es fehlt der Kontakt, für den das Tragen dieses Aufzugs einen Sinn ergibt und lediglich der eigenen Aufwertung gegenüber Mitarbeitenden dient – schwule Männer sind nicht mehr zu erkennen und werden in ihren Codes von Männern aus dem islamischen Kulturkreis abgelöst, die sich übergepflegt präsentieren und keine schwulen Affinitäten auslassen, während ihre Frauen sich in der Öffentlichkeit verhüllen müssen (ein umso bemerkenswerterer Umstand, ist dieser Habitus mit einer bisweilen hochaggressiven und mit Gewalt ausgetragener Homophobie eng verbunden).

In einem anderen beobachtbaren Trend verweigern sich heterosexuelle Frauen und Männer selbstgefällig strikt äußerer Pflege und Schmuck, um unter keinen Umständen einem Stereotyp zu entsprechen, werden auf diese Weise selbst zu einem Stereotyp und tragen ihr Leiden an sich und der Gesellschaft als ästhetisches Malheur für alle sichtbar nach außen.

Mode ist nicht mehr und nicht weniger Zeitgeist mit allen vorhandenen gestalterischen Möglichkeiten im subjektiven Wechselspiel zwischen innen und außen. Sie ist Differenzierung, Distinktion und Nachahmung, Identifizierung und Ausdruck einer Persönlichkeit. Sie war und ist in allen Zeiten ein ästhetischer Ausdruck ihrer Zeit, eine unmittelbar auf die Person bezogene Gestaltungsfrage, selbst wenn sich diese in einer Art Verweigerungshaltung äußert. Sie ist eine kommunikative Mittlerin zwischen Individuum und Gesellschaft vollzogen in Hegelscher Dialektik.

 

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[1] Prof. Dr. Dr. Harald Brost – FH Trier 18.10.85 und 24.04.1987.

[2] Schmüser, Caroline; Bäuerlein, Theresa: »Geschlechterklischees«. Krautreporter.de, 14.01.2021

[3] br.de: »Mode: Spiegel der Gesellschaft«, 23.07.2019

[4] Vinken, Barbara: »Mode in der Pandemie – Willkommen in der Hypermoderne!«. FAZ, Debatte, 23.03.2021


Beitragsbild Reflexionen Teil 1

Die ästhetische Instabilität – eine essayistische Montage in 4 Teilen (Teil1)

TEIL I

Einleitung

Bisweilen braucht es nur die Art eines Augenaufschlags, die Wellenlänge einer Falte, die Worte eines halben Satzes, um durch diesen Eindruck eine ganze Welt, ein ganzes System entstehen zu lassen.

„Alles mündet in die Ästhetik und die politische Ökonomie“, schreibt Stéphane Mallarmé[1]. Und der Medienwissenschaftler Steven Shaviro entgegnet: „Die Ästhetik steht in einem besonderen Verhältnis zur politischen Ökonomie, und zwar gerade weil sie der einzige Gegenstand ist, der nicht auf politische Ökonomie reduziert werden kann.“[2] Die Zusammenhänge zwischen ästhetischer Wahrnehmung und ästhetischem Ausdruck lassen sich als Anschauung des Zeitgeschehens wie die beobachtbare Komplexität des Universums ansehen. In diesen Verschränkungen, Verknüpfungen und Einzelerscheinungen manifestieren sich ästhetische Werturteile. Sie beruhen auf individuellen, pluralistischen sowie kollektiven Wahrnehmungen im gesellschaftlichen Kontext und bilden damit Aspekte der Wirklichkeit.

Die hier miteingefügten Zitate machen deutlich, wie das Thema in den einzelnen Bereichen angefasst und artikuliert, in vielen Facetten entsprechend des eingangs erwähnten Bildes identifiziert wird und sich auf die eine oder andere Weise und immer zahlreicher wiederfindet, doch vor allem, dass es sich dabei nicht um vereinzelte, einsame Rufer in der Nacht handelt. Meine Darlegungen zur ästhetischen Instabilität im aktuellen Zeitgeschehen verstehe ich mit Blick auf Deutschland und aus Deutschland heraus im Sinne einer komprimierten kritischen Analyse ästhetischer Erfahrung – denn Denken verändert Handeln.

Die Gegenwart

„Die Zwänge der politischen Ökonomie können der Ästhetik durchaus im Weg stehen, […]denn wir leben in einer Zeit, in der die Finanzmechanismen schlichtweg alles subsumieren, was es gibt.“[3] Die vergangenen Jahrzehnte zeichnen sich durch eine immer größere ästhetische Instabilität aus, deren Ausmaße sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfasst und mit einem mehrdimensionalen Verlust an Werten und Würde einhergeht. Es ist ein Niedergang, der sich durch einen finsteren Konformismus und einem damit einhergehenden „Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“[4] auszeichnet – gleichlaufend mit dem Verschwinden von Vielfalt in Fauna und Flora. Ihren Ursprung haben diese Phänomene in der zunehmenden politischen Instabilität, die um das irrationale Primat der Wirtschaft als goldenes Kalb einen immer meschuggeneren Tanz aufführt.

„Wie selbstverständlich“ wird „uns mit auf den Weg gegeben, dass wir miteinander konkurrieren und uns anpassen müssen“ und „dass nämlich Wettbewerb das einzig legitime Organisationsprinzip menschlichen Handelns ist.“[5]

Wenn Ästhetik eine komplexe Wahrnehmung ist, die die Sinne anspricht und das Unsichtbare erfassbar macht – wenn diese sinnliche Wahrnehmung und deren Deutung die Grundlage unseres Weltverständnisses bilden – wenn sich dank der daraus resultierenden Erkenntnisse dynamische Möglichkeiten ergeben, die Wirklichkeit werden können, dann stellt sich die alles überragende Frage: Welches ästhetische Narrativ ist abhandengekommen, dass der gesellschaftliche Raum nicht mehr als stimmig empfunden wird?

Es braucht eine Neuvermessung der ästhetischen Landkarte, die vereinzelte und parzellierte Dimensionen der Gesellschaft wieder wahrnehmbar miteinander verbindet und verknüpft. Nur so lassen sich dann Zusammenhänge und Dynamiken buchstabieren und lesen – in ganzen Sätzen, in Kapiteln, Erzählungen und Bildern – um sich darin wiederzuerkennen und zu verorten – um wieder Verbindlichkeiten, Sicherheiten und Verantwortung abzubilden – um eine selbstbestimmte Macht der alles verschlingenden und entwertenden Ökonomisierung entgegenzusetzen.

Ästhetische Unwuchten sind indes ein symptomatischer Ausdruck für die Omega-Phase, in der sich westliche wie östliche Gesellschaften befinden. Sie haben sich bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts abgezeichnet. Stefan Zweigs hellsichtiger Aufsatz über Die Monotonisierung der Welt thematisiert diese Entwicklung im Weltgeschehen bereits 1925. Seine Beobachtungen rücken heute wieder in das Blickfeld und haben an Aktualität nichts eingebüßt. Ganz im Gegenteil: Fast einhundert Jahre später ist nicht allein in ästhetischer Hinsicht ein desaströser Zustand erreicht, dessen Wurzeln in der totalen Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche liegen. „[…] Ein leises Grauen vor der Monotonisierung der Welt. Alles wird gleichförmiger in den äußeren Lebensformen, alles nivelliert sich auf ein einheitliches kulturelles Niveau…“[6]

Der Neoliberalismus unterwirft ästhetische Gesamtkonzepte

Mit immer erbitterter Vehemenz und in radikalerer Intensität werden auf allen Ebenen Mittel und Instrumente eingesetzt, um den Stempel einer idealisierten und verklärten Vergangenheit der Gegenwart aufzudrücken und die Zukunft damit ideologisch zu versiegeln. Demokratische Strukturen werden in Frage gestellt und beschädigt, um den Status quo mit seinen Machtstrukturen aufrecht zu erhalten. Ideen und Konzepte werden im Keim erstickt. Weiter reichende Gesamtkonzepte finden nur noch wenig Beachtung, was nicht wundert, wenn alles Handeln ökonomische Konsequenzen hat. Mirnichtsdirnichts verschieben sich Diskurse, bis das ursprüngliche Thema nicht mehr zu erkennen ist oder die Initiative dazu diskreditiert ist:

Die Gesellschaft als Marktplatz, auf dem – privat wie öffentlich – schreierische Scharmützel um Meinungen und Gefühle ausgetragen werden.

Bestes Beispiel hierzu ist die aufkommende globale Klimakatastrophe – jedoch findet sich das Prinzip der Abwehr und Negierung an vielen Stellen des aktuellen gesellschaftlichen und politischen Interregnums.

Insbesondere rechtspopulistische Propaganda schürt das Feuer und erhöht die Temperatur im Kessel: Durch Einschränkung von Freiheiten, Diskriminierung von Minderheiten und Andersdenkenden, mit Wissenschaftsverleugnung, mit einem fundamentalen Hass auf Freiheit und Gleichheit, Liberalismus, freie Presse, Gewaltenteilung, Kultur und deren Ambiguität – die Liste ließe sich endlos fortsetzen – ist Rechtspopulismus im Bunde mit Nationalismus und Andokratie eines der übelsten Furunkel unserer Zeit, genährt von Wut, Gier, Korruption, Menschenverachtung und mit dem Ich im Zentrum einer grandiosen Anmaßung. Eine derart unterkomplexe Kartografie bildet eine Wüste ab und erstickt jedes Leben, jede Zukunft.

Kongruent dazu verbreitet sich die aggressive und oftmals passiv-aggressive Tendenz, komplexe Fragen mit subjektiven Gewissheiten zu beantworten, die nicht in Frage zu stellen sind. Sämtliche zur Verfügung stehende Abwehrmechanismen bestimmen die Psychologie einer narzisstischen Gesellschaft.

„[…] Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt jedoch in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen…“[7]

Die Menschen sehen sich ohnmächtig, ohne Halt und mit sehr viel Wut einem alles in Frage stellenden Markt ausgeliefert, der keine Gesellschaft kennt, dem keine Grenzen gesetzt werden und sämtliche Aspekte demokratischer Politik ökonomisch analysiert. Individualinteressen zumeist in Zielgruppen-Cluster fragmentiert, schieben sich immer stärker in den Vordergrund. Sie entfernen die Gesellschaften immer weiter vom Gemeinsinn. „Die Gründe, sich zu empören, sind heutzutage oft nicht klar auszumachen – die Welt ist zu komplex geworden […]. Die Welt ist groß, wir spüren die Interdependenzen, leben in Kreuz- und Querverbindungen wie noch nie. Um wahrzunehmen, dass es in dieser Welt auch unerträglich zugeht, muss man genau hinsehen, muss man suchen…“[8]

Europa war ein attraktives Narrativ für einen Raum mit Freiheiten und Frieden, mit freier Bewegung und freier Wahl der Umgebung. Doch auch diese Optionen wurden dem Spiel der sog. Märkte preisgegeben, ohne je ein politisches Gegengewicht zu errichten. Die Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung der eigenen Lebenssituation sind immer enger geworden. Eine politische Union war nicht gewollt und wurde als zu utopisch abgetan. Die totale Ökonomisierung hat zu einer Erosion der Idee eines vereinigten europäischen Raumes geführt, die darin gipfelt, dass haltlose nationalistische Zukunftsbilder in extremer Ausprägung derart attraktiv geworden sind, dass unveräußerliche Freiheitsrechte und -pflichten ohne Gegenwehr und Widerstand aufgegeben oder gar als Bedrohung empfunden werden – eine verheerende ästhetische Verwüstung.

Die Gleichschaltung von Städtelandschaften

Dieses Kapitel widme ich ausdrücklich dem Fernsehjournalisten Dieter Wieland, der in jahrzehntelange, Engagement mit zahlreichen Beiträgen für den Erhalt gewachsener Kulturlandschaften kämpft. Mit seinem aufklärerischen Grundmotiv der „Kunst des Sehens und genauen Hinschauens, ganz einfach nur die Augen öffnen und genau das Gesehene kritisch analysieren“[9] bringt er sich immer wieder aufs Neue gegen die fortschreitende Umweltzerstörung in Stellung.

Ganz konkret sichtbar und erfahrbar wird diese Verwüstung in austauschbarer Architektur, die von Investoren ohne Rücksicht auf die jeweiligen charakteristischen, regionalen Bezüge baut, ohne einen qualitativen Gegenwert, ohne gesellschaftliche Verantwortung. Die Politik hat sich von ihrem Gestaltungsauftrag verabschiedet und kampflos zurückgezogen – im Irrglauben, der Markt wird es auch ohne sie irgendwie zum Nutzen aller regeln.

„Wirtschaft ist […] kein unveränderliches Naturgesetz, sondern das, was sich eine Gesellschaft als Wirtschaft vorstellen kann und was sie schließlich als Wirtschaft behandelt. Dieser Horizont des Denkmöglichen wird durch Wissenschaft miterzeugt und mitbegründet. Insofern ist Wissenschaft keine unschuldige Beschreibung oder Analyse, sondern rüstet die Gesellschaft mit Begriffen, Konzepten und Denkfiguren aus…“[10]

Städte beweinen bis heute traumatisch ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Historisch einmalige und wichtige Baudenkmäler werden zum Beispiel in Dresden wiedererrichtet mit der für die Stadt und weit darüber hinaus Identität stiftenden Canaletto-Silhouette. Doch in unmittelbarer Umgebung wird der öffentliche Raum durch plündernde Investoren-Interessen weiter mit ignoranter und seelenloser Architektur zerstört. Ausgereifte Gesamtkonzepte werden der Gesellschaft durch Wirtschaft und Politik verweigert, Kultur – und darin enthalten u.a. Stadtentwicklung – wird für ökonomische Freiheit von jeder Verantwortung entkoppelt. Was der real existierende Sozialismus, den niemand in seinem Lauf aufhalten sollte, begonnen hatte, führt die Profitmaximierung seelenlos, diesmal mit kapitalistischen Vorzeichen, weiter.

Das Ergebnis ist in Dresden ein Hauptbahnhofsviertel entlang der Prager Straße mit Einkaufspassagen und der Aneinanderreihung der mittlerweile in allen deutschen Städten immer gleichen Filialketten mit den immer gleichen Angeboten – einer hemmungslos profitorientierter Verwertungsstrategie folgend. Und auch dieser Kontrollverlust zeitigt traumatische Folgen, die sich derzeit nur unbewusst Platz schaffen und beispielsweise in einer rigiden ästhetischen Totalverweigerung an die Oberfläche treiben. Auch spielt die Geschichte und deren Kontinuität keine Rolle mehr und wirkt wie abgeschnitten von der Gegenwart.

Weitere Beispiele für ästhetische Verwahrlosungen sind das Heideviertel hinter dem Berliner Hauptbahnhof und gegenüber dem letzten großen Stück Berliner Mauer neben dem Ostbahnhof. Ehemalige Brachflächen, die als entwickelt, modern oder attraktiv betitelt werden, aber nichts anderes sind als unverhohlenes Investoren-Glück, städtebaulicher Hohn, in denen sich der Mensch orientierungslos fragt, ob er gerade in Köln, Berlin, oder München ist. Der öffentliche Raum ist der Gewalt der ökonomischen Monokultur unterworfen, die in ihrem Zwang zur Steigerung eine entsetzliche Tristesse an Läden, Büros und Wohnungen zu verantworten hat.

Dabei ist Architektur eine Kulturtechnik, ihre Formensprache und ihre Verwirklichung ein Ausdruck ihrer Zeit und der Gesellschaftsgestaltung – beruhend auf komplexen Zusammenhängen.

Thomas Bauer fasst es in Die Vereinfachung der Welt wie folgt zusammen: „In Berlin und Stuttgart hat man die Chance vertan, um den Hauptbahnhof Stadträume entstehen zu lassen, die die Menschen schön finden, in denen sie sich wohlfühlen, in denen sie flanieren und entspannen, in denen sie sich treffen und miteinander austauschen können. Stattdessen wird die Fläche mit rechtwinkligen Investorenklötzen zugestellt […]. Aber auch hier gehört […] zum Investorenbunker eine Bevölkerung, die es hinnimmt, dass man ihre Stadt mit einer solchen Architektur zubaut. Sie nimmt es hin, weil man eine solche Architektur als die einzig zeitgemäße propagiert. Weil es aber keinen zeitgemäßen Stil mehr gibt […], hat Schönheit als Kriterium ausgedient. Dies wird hingenommen, weil Schönheit etwas Ambiges ist, weil sie zwar von vielen, aber eben nicht von allen Menschen erfühlt wird. […] Und wieder begegnen wir dem Phänomen, dass Ambiguität dadurch beseitigt wird, dass man ihre Existenz bestreitet. Wenn sich Qualitätsunterschiede nicht mit eindeutigen Kriterien feststellen lassen, dann scheint es einfacher zu sein zu sagen, es gebe keine Qualitätsunterschiede, als über nicht leicht zu präzisierende, aber dennoch vorhandene Qualitätsunterschiede nachzudenken…“[11]

Hieran lässt sich direkt der Berliner Architekt Tobias Nöfer anknüpfen, der in der F.A.Z. schreibt: „Die Architektur der Stadt besteht aus allen Räumen, in denen wir uns bewegen: von der Wohnung über den Hausflur auf die Straße in den Park – da gibt es nichts, wo die Stadt aufhört oder anfängt, das ist ein räumliches Kontinuum. Deshalb ist die städtische Fassade die Innenwand des öffentlichen Raums und verantwortlich für dessen Erscheinungsbild. Sie muss dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Dauerhaftigkeit, Nützlichkeit und Schönheit gerecht werden, drei Eigenschaften, die sich jeweils gegenseitig bedingen.“[12]

Der Anspruch der Öffentlichkeit und die Verantwortung greifen in ästhetischer Hinsicht weiter aus, denn es gilt den jeweiligen Puls einer Stadt, einer Gemeinde mit aufzunehmen und ihn in Gestaltung zu übersetzen und ihm einen Ausdruck zu verleihen. Diese Dimension ist europäisches Kulturerbe und hat sich über Jahrhunderte „um den Dreiklang von Marktplatz, Rathaus und Kirche entwickelt.“ Denn „das am Gemeinwesen orientierte Stadtzentrum, auf das sich alle anderen Ortsteile ausrichten, ist Kern des europäischen Selbstverständnisses.“[13]

Wenn Vorstellungen einer „inneren Architektur“ beschreiben, wie das Zusammenwirken mentaler Prozesse organisiert ist, welchen Einfluss nimmt dann die Architektur des uns umgebenden Raumes und löst damit welche Wahrnehmungs-, Denk- und Erkenntnisprozesse aus?

Was aus den Fugen geraten ist und in diesen Entwicklungen ohne Lebensqualität, Anspruch und Verantwortung zutage tritt benennt Philipp Blom: „Die Auflösung und das Verschwimmen sozialer Kategorien und lokaler Strukturen in einen globalen, zentrumslosen Kontext, ist zum Kennzeichen einer Zeit geworden, der die Dynamik der Eskalation längst entglitten ist. [Und so] haben postmoderne Individuen, da ihnen ja sämtliche Utopien und ‚großen Erzählungen‘ abhandengekommen sind, eigentlich auch gar keine große Idee von Schönheit mehr…“[14]

Erinnert Schönheit den Menschen an seine Grenzen? Und kollidieren diese Grenzen mit dem System des ökonomischen Wachstums?

1965 reüssierte der Aufklärer Alexander Mitscherlich (Psychoanalytiker und Stadtkritiker) mit seiner vielbeachteten Anklageschrift über „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“. Doch seither hat sich an den angeprangerten Missständen nichts verändert. Ganz im Gegenteil haben sie sich potenziert und verschlimmert.

Die totale Ökonomisierung

Nochmal: Wirtschaft ist eine von Menschen erdachte und gemachte Organisationsform. Sie hat sich über die Menschheitsgeschichte hinweg immer wieder verändert und ist daher auch gestaltbar. Sie ist nicht schwarz oder weiß, nicht alternativlos. Sie ist kein eigenständiger Organismus. Sie ist keine mystische Kraft. Sie ist kein unentrinnbares Schicksal. Denn was für die Wirtschaft gilt – als Teil unserer Zeit und unseres Raumes – hat Marianne Krüll an anderer Stelle für die Ebene der Familie formuliert:

„...auch wir sind für unsere Geschichte, die Teil unserer Familiengeschichte ist, verantwortlich. Wir brauchen sie nicht als unausweichliches Schicksal hinzunehmen, sondern können selbst dazu beitragen, sie neu zu erzählen, neu zu schreiben.“[15]

Warum fahren Millionen von Urlaubern an ihre sog. Sehnsuchtsorte? Und was bringen sie von dort an Eindrücken und Erkenntnissen in ihrem Gepäck mit nach Hause? Es hat den Anschein, dass sie die dortige ästhetische Sprache, in der sie sich immer wieder wohl fühlen und erholen, auch nur dort lesen und übersetzen können. Zurück in Deutschland werden diese Wörterbücher wieder im Gepäck für die nächste Reise verstaut – oder es erfolgt eine eins-zu-eins Übersetzung in der bereits beschriebenen selbstzentrierten Manier, in individualistischer Überhöhung eines quantitativen Freiheitsbegriffs[16], der damit alle anderen Freiheiten relativiert und abwertet.

„[…] Der eigentliche Ruin liegt darin, dass sich eine andere Lösung in der gegenwärtigen Sprache, mit den gegenwärtigen Bildern im Kopf gar nicht denken lässt. So ist es einfacher, weiterzumachen und jedes andere Szenario als Fantasterei oder naiven Unsinn abzutun…“[17] Und damit ist das Interregnum mit all seinen Zeichen gebrandmarkt, in dem sich unsere Gesellschaft aktuell befindet.

Und auch Byung-Chul Han beschreibt die narzisstische Verfasstheit der Gesellschaft: „Das neoliberale Regime vereinzelt die Menschen. Gleichzeitig wird die Empathie beschworen. Die rituelle Gemeinschaft benötigt keine Empathie, denn sie ist ein Resonanzkörper […]. Der gegenwärtige Empathie-Hype ist in erster Linie ökonomisch bedingt. Die Empathie wird als effizientes Produktionsmittel eingesetzt. Sie dient dazu, die Person emotiv zu beeinflussen und zu steuern […]. Die digitale Kommunikation entwickelt sich heute zunehmend zu einer Kommunikation ohne Gemeinschaft […]. Heute produzieren wir uns überall und zwanghaft, etwa in sozialen Medien. Das Soziale wird komplett der Selbst-Produktion unterworfen […]. Der Zwang der Selbst-Produktion ruft eine Krise der Gemeinschaft hervor…“[18]

Alles richtet sich an der einen Kategorie aus, dem linearen Wachstum, das auf seiner einzigen Schmalspurschiene nur dieses eine Kriterium zulässt. Alle anderen Dimensionen und Vielschichtigkeiten werden ausgeblendet, für unnütz erklärt, gegen die pekuniären Aufwendungen aufgerechnet und damit gegen einen nicht bezifferbaren Nutzen ausgespielt – Was habe ich davon? Was hat mein Unternehmen davon? Was hat meine Klientel davon? Die Frage nach dem Zweck liefert die Mittel, um dem Rechenwert Geld alle anderen Wertkategorien zu unterwerfen und damit die Welt ihrer Mehrdeutigkeit zu entzaubern. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Geisteswissenschaften im öffentlichen Leben keine Bedeutung, kaum Ansehen mehr besitzen.

Die vollkommene Ökonomisierung in Gestalt des Neoliberalismus hat alle Strukturen und Bereiche des Lebens fest im Würgegriff und beraubt sie des Gefühls der Stimmigkeit. Sie hängt jedem noch so kleinsten Aspekt des menschlichen wie tierischen Lebens ein Preisschild um, schränkt damit die Autonomie des Individuums immer weiter ein und nimmt ihr in weiten Teilen jede Würde, jede Freiheit. „Der Neoliberalismus ist nicht nur die Ideologie oder Weltanschauung dieser Form […], er ist auch, und das ist bedeutender, die konkrete Funktionsweise des Systems. Er besteht aus einer effektiven Reihe von Praktiken und Institutionen. Er bietet sowohl ein Kalkül, um menschliche Handlungen zu beurteilen, als auch einen Mechanismus, um diese Handlungen anzustoßen und zu leiten.“[19] Nur noch was irgendwie berechenbar erscheint, in Währung übersetzt werden kann, wird ein kollektiv anerkannter Wert zugesprochen. Wie kommt es, dass die Märkte und die Wirtschaft Unternehmen einen Millionenwert zuerkennen, der weder durch Umsätze oder Gewinne oder durch angemessene, menschenwürdige Arbeitsverhältnisse oder Innovationen gerechtfertigt ist?

In einer scharfsinnigen Analyse über den „Geist des Kapitalismus“ konstatiert Thomas Assheuer eine von Georg Simmel und Max Weber untersuchte „Synthese von Leben und Geld“, indem „die Zirkulation des Geldes und die Bewegung des Lebens bruchlos ineinander übergehen.“ Diese Verschmelzung bringt einen neuen Sozialcharakter hervor, gerissen und gierig, ebenso geizig wie verschwendungssüchtig, extrem „selbstisch“ und ohne Rücksicht „ethischer Art“.[20]

Erfasst wird davon auch das Thema „Ästhetik“: Diese wird in verdächtige Nischen verdrängt – vergleichbar mit Hecken und Rainen an Ackergrenzen, während auf dem Feld eine Saat aufgeht, die monokulturell Vielfalt durch Polarisierung und Relativierung vernichtet.

Und wieder Stefan Zweig 1925: „[…] und da alles auf das Kurzfristige eingestellt ist, steigert sich der Verbrauch…“. Und Werner Kindsmüller: „Wenn nur zählt, was kurzfristig Nutzen bringt, dann ist es irrational, Ziele und Handlungsorientierungen zu verfolgen, die langfristig ausgerichtet sind.“[21] So kann und wird es weder den Willen noch das Vermögen für Konzepte geben – selbst dann nicht, wenn diese ökonomisch sinnvoller sind.

Was passiert mit ganzen Gesellschaften, wenn die einzelnen Individuen neurotisieren? Welche Diagnose ist einer solchen Gesellschaft zu stellen? Ergibt sich kongruent eine neurotische Kultur- und Politikentwicklung?

Die Reibungshitze der Geschwindigkeit des zum steigenden Profit verdammten Systems heizt sich immer weiter auf, immer hektischer wird nach neuen Wegen, Methoden, Instrumenten, Verfahren gesucht – aber immer nur auf der vorgegebenen Linie. Dann bleibt keine Zeit mehr für Konzepte. Zusammenhänge werden ausgeblendet. Je weniger komplex, desto besser. Alternativlos werden Möglichkeiten weder in Betracht gezogen noch zugelassen. „Im Reich der Zwecke hat alles entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes gesetzt werden. Was dagegen über allen Preis erhaben ist, das hat eine Würde.“[22]

Der gegenwärtige Konformismus

Nichts verdeutlicht die ästhetische Instabilität mehr als der deutsche Durchschnitt, für den die pfälzische Gemeinde Haßloch als bundesweiter Testmarkt auserkoren wurde. Und es kommt noch kleiner: Von den dort ansässigen ca. 10 000 Haushalten dienen lediglich ca. 3000 und deren Kaufverhalten als Entscheidungsgrundlage für die Zusammenstellung der Sortimente. „Ohne Haßloch sähe Deutschland anders aus. Was die Haßlocher einkaufen, dies bekommt auch die Republik in die Regale gestellt, was sie verschmähen, bekommen andere gar nicht erst zu sehen.“[23]

Und hinzukommt: Die Marktforschung mit ihren Methoden und Instrumenten sind das eine, die Interpretation der Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Entscheidungen durch Verantwortliche in ihren Dynamiken und Zwängen das Andere. Wer einmal mit offenen Augen durch Haßloch gefahren ist, dem treibt es den kalten Schweiß auf die Stirn, dass diese ästhetische Einöde den durchschnittlichen Bodensatz darstellen soll, von dem ausgehend Konzerne ihr Geschäftsmodell kontinuierlich füttern. Kaufverhalten und mangelnde Sensibilität für die Gestaltung des Lebensumfelds gehen hier eine anschaulich maligne Symbiose ein.

An dieser Stelle sei wieder Stefan Zweig zitiert, der einen „fürchterlichen Willen zur Monotonie“, eine „furchtbare Welle der Einförmigkeit“ konstatiert und die „Gleichmacherei“ beklagt: „Unbewusst entsteht eine Gleichartigkeit der Seelen […]“ – und mittlerweile der Seelenlosigkeit – „[…] eine Massenseele durch den gesteigerten Uniformierungstrieb, eine Verkrümmung der Nerven zugunsten der Muskeln, ein Absterben des Individuellen zugunsten des Typus…“[24]

Und auch schon Georg Simmel hatte bereits 1890 im Verhältnis von Ästhetik und Soziologie einen „Geist des Nivellements“ als „einen gleichmachenden Charakter der modernen Zeit“ mit fragmentarischem Weltbezug ausgemacht.

Der Durchschnitt dient als imperativer Maßstab und wird mit dem Etikett der ökonomischen Vernunft ausgestattet als Antrieb für die Zahnräder der Profit- und Gewinnmaximierung – mit Plus zum Vorjahr – und Plus zum Vorjahr – und Plus zum Vorjahr – immer auf Grundlage von Zahlen aus der Vergangenheit, für eine vermeintlich berechenbare, vermeintlich sichere und vermeintlich wirtschaftliche Zukunft – die an allem, nur nicht am Gemeinsinn orientiert ist. „Das [neoliberale] Zombiesystem, in dem wir leben, weigert sich zu sterben, ganz egal wie unterdrückend und dysfunktional es auch sein mag.“[25]

Ständige Optimierung und sich regelmäßig erhöhende ökonomische Zwänge, die nur lineares Wachstum als alternativlose und bisweilen erpresserische Form kennen, haben etliche Maßstäbe über die Jahrzehnte auf Haßloch-Niveau zurückgeworfen. Mithin ist kein Anspruch mehr vorhanden an Qualität, Service und Nachhaltigkeit. Letztere wurden für Rechenwerte ausradiert und der Durchschnitt mit gewinnbringender Konformität als unantastbare individuelle Freiheit verkauft.

Vormals vorhandene Services und Leistungen wurden zur Produktivitätserhöhung externalisiert, als Freiheit für den Homo oeconomicus angepriesen, mit Algorithmen hinterlegt. Auf diese Weise verschwinden Möglichkeiten und Potenziale, Vielfalt und Pluralität zum Zwecke der Sicherstellung des linearen Wachstums. Das Gefühl für den umgebenden Raum, die Verhältnismäßigkeit der Dinge zueinander sowie deren komplexe Zusammenhänge ist damit abhandengekommen und einer totalitären Subjektivität gewichen. Externalisierte Leistungen und ein Do-it-be-yourself-Versprechen mit der unanfechtbaren Anerkennung der Währungen Reichweite, Ranking, Likes und Followern von sozialen Medien und deren Geschäftsmodellen, setzen jedes Subjekt auf einen alles überragenden Thron – jedoch lediglich als Typus, nicht als Individuum. Objektive Maßstäbe werden unscharf oder verschwinden, sind störend und irrelevant und werden gar als persönliche Demütigung aufgefasst.

Diskurse über qualitativ andere Sichtweisen und Verständnisse verebben durch Abgrenzung und Abwehr ehe sie begonnen. Der Wert der eigenen Ignoranz und Arroganz steht unverrückbar über Wissen, Können, Fähigkeiten und Kompetenzen. Die kommerzialisierte Verfügbarkeit von Informationen und Inspirationen machen Piefigkeit, Baumarkt-Chic und Möbelkettenangebote zum Nonplusultra. Nein, Baumärkte setzen keine Trends! Ästhetik und Konzeptionen für Gesamtbilder können auf dieser schiefen Ebene nicht entstehen: Die Gesellschaft fragmentiert, der Gemeinsinn erodiert. Denn unterschiedlichste eigene Identitäten bzw. die vom Konformismus zugewiesenen Identitäten werden überhöht und fordern je eigene gewichtige Repräsentanz gegenüber anderen ein. Es fehlt mithin an aufklärerischen Idealen und vor allem an der Sicherheit universeller, allgemeingültiger Rechten und Werten.

Stefan Zweig: „Wenn die Menschheit sich jetzt zunehmend verlangweilt und monotonisiert, so geschieht ihr eigentlich nichts anderes, als was sie im Innersten will. Selbständigkeit in der Lebensführung und selbst im Genuss des Lebens bedeutet jetzt nur so wenigen mehr ein Ziel, dass die meisten es nicht mehr fühlen, wie sie Partikel werden, mitgespülte Atome einer gigantischen Gewalt.“[26]

Die Entwertung von Kreativität

So ist die Provinz provinzieller als jemals zuvor. Mittelzentren sind gleichgeschaltet, regionale Eigenheiten, Unterschiede und Besonderheiten werden zugunsten des verkäuflichen Durchschnitts ausradiert.  Außerhalb der Innenstädte und vormals sozial wichtiger Ortskerne, entstanden die immer gleichen von Inverstoren diktierten versiegelten und ästhetisch völlig anspruchsfreien kommerzialisierten Flächen. Der Verlust an lokalen Unternehmen und die kontinuierliche Marktkonzentrationen mit ihrem Verdrängungswettbewerb, hat für viele Innenstädte in den vergangenen Jahrzehnten und deren vormals bestehende Angebotsvielfalt und -attraktivität verarmen lassen.

So sehen auch Neubauviertel in allen Teilen der Republik unterschiedslos gleich aus. Es entstehen unzusammenhängende, planlos und zersiedelte Gebiete mit den immer gleichen Fertighäuser-Einfamilienhausschachteln, deren Ödnis nur durch Säulen-find-ich-aber-schön und gelbe-oder-lachsfarbene-Hausfassade-find-ich-aber-schön gekrönt werden. Ästhetischen Gesamtkonzepten auf der Grundlage von ambitionierten Planungen, die über den Durchschnitt hinausgehen, wird sich verweigert und zudem der persönliche Geschmack über stimmige Konzepte für die Gemeinschaft gestellt. Vorgefertigte Zielgruppenvorgaben mit lediglich drei Pralinen zur Auswahl, suggerieren Wahl- und Entscheidungsfreiheit oder gar Selbstverwirklichung.

Auch dieserart wird der öffentliche Raum vernachlässigt. Er verwahrlost und ist dem Spiel des freien Marktes schutzlos ausgeliefert. Private Investoren interessiert der öffentliche Raum ohnehin nicht, denn er generiert keinerlei Profite, die sich eins-zu-eins in den Bilanzen niederschlagen. Die Politik fühlt sich nicht mehr zuständig, hat sich von ihrem ureigensten Auftrag verabschiedet und scheut davor zurück, um Maßstäbe für lebenswerte Räume zu streiten. Allzu oft stellt sie sich vor einflussreiche Konzerne und deren Lobby und erkennt nicht, welches fatale Signal sie damit in die Bevölkerung sendet und welches wichtige, wirkmächtige Feld sie dem Markt kampflos überlässt. Dieses verheerende Signal wird begleitet durch die stetig zunehmende Anspruchslosigkeit und Ignoranz gegenüber non-verbalen Kommunikationszeichen in Bezug auf Bekleidung, Arbeitsumfeld und kultureller Identität.

„Die Auflösung, das Verschwimmen sozialer Kategorien und lokaler Strukturen in einen globalen, zentrumslosen Kontext, ist zum Kennzeichen einer Zeit geworden, der die Dynamik der Eskalation entglitten ist.“[27] Es ist ein weit und tief ausgreifender Werteverfall des Konsums für viele Dinge des täglichen Lebens, wie auch für zahlreiche Dinge des Luxus. Viele Verkaufspreise und mit ihnen der Wert, sind am untersten Ende für Massenware angelangt, bei maximalem Ressourcenverbrauch, ja -vernichtung von Mensch, Tier und der Natur insgesamt.

Und: Dort wo Luxus draufsteht ist nicht immer Luxus drin, wenn die Gewinnorientierung eine höhere Marge verlangt und der Endpreis dann den Verbraucher nicht mehr die zu erwartende höhere Qualität oder den höherwertigeren Service widerspiegelt. Auch das Empfinden für diese Verhältnismäßigkeiten ist perdu. So wird auch in den großen Modehäusern und -ketten die Kreativität ausgebeutet, indem sie sich auf einen nicht zu gewinnenden Wettlauf mit dem zerstörerischen Wachstumszwang eingelassen haben und mitunter 12 Kollektionen hervorbringen. Erste Anzeichen zum Umdenken sind vorhanden – allein der ökonomische Knüppel treibt sie weiter an.

Kreativität findet sich in einer Entwertungsspirale nach unten und wird systematisch auf ökonomisierte, durchschnittliche, berechenbare Linie gebracht. Mitarbeitende sollen kreativ sein und müssen das für ihr berufliches Fortkommen unter Beweis stellen.  Angekommen im nihilistischen Relativismus sind alle auf der gleichen Stufe kreativ. Zudem wird jede Kritik empfindsam als sozial unerwünscht klassifiziert, als ungeheuerlich entmutigend, als demütigend. ‚Wir sind doch alle und in allem Gewinner‘ und damit verschwimmen Wertkategorien oder verschwinden ganz. Methoden über Methoden werden für den Markt entwickelt, um Kreativität – meist wirtschaftlich – nutzbar zu machen. Damit wird ein Glaube vermittelt, dass es für Kreativität ein Rezept gibt. Doch gäbe es hierfür ein Rezept, dann wäre es keine Kreativität mehr. Denn auch Serendipität, eine Konstante der Kreativität, wäre dann methodisch erfassbar und vermittelbar. Die Komplexität von Kreativität lässt sich nicht strukturiert erfassen.

Hinzu kommen Methoden, die zum Beispiel der Personalauswahl dienen und die Individuen als Typen in bestimmte Schubladen ablegen, die je nach Bedarf aufgezogen oder zugeschoben werden. Menschen als methodenkonforme Typen einsortiert und passend gemacht für KI-Algorithmen, die von Vorständen mit eng gefassten Weltbildern abgesegnet werden – und die sich wiederum den psychotischen Regeln des sog. Marktes unterwerfen: ‚Ah, die ist kreativ – Ah, der hat ein Gefühl für Zahlen – Ah, die ist ein Alpha – Ah, der ist empathisch, die ist‘ ...usw. usf., immer passend für das jeweilige System, den jeweiligen Nutzen, den jeweiligen Zweck – und immer mit einem Preisschild um den Hals.

Es sind aber lediglich algorithmische Gehäuse ohne Kreativität, die schlussendlich die Dimensionen einer Persönlichkeit mit samt ihrem Habitus nicht erfassen bzw. kleiner einhegen als sie sind, obendrein Zufälle ausschließen und sie lediglich für die Ökonomisierung konformisieren. Sozialkontrolle in Eintracht mit ausuferndem Konformismus, der aktuell in der Cancel Culture gipfelt, vergiftet die Gesellschaft, gefährdet die Demokratie. Konformes Agieren wird monetär belohnt, indem alles mit dem Rechenwert Geld abstrahiert wird. Das schafft emotionale Abschottung mit einem aggressiv verteidigten Rückzug ins Private entsprechend dem für allgemeingültig erklärten Maßstab Ich-Ich-Ich.

So wird die Verortung des Ich in der Gesellschaft mit einem Verlust an Pluralität und Gemeinsinn schier unmöglich. Der Kollektivsingular wird an die Stelle von präziser Beobachtung und Empirie gesetzt und verhindert konzeptionelles Denken und Handeln. Populistische Allgemeinplätze mit selbstgestrickten ausgrenzenden Maximen können sich leicht durchsetzen, werden schnell wahrgenommen und ersticken Ambiguität und Fakten. Insofern wird es höchste Zeit für eine Anknüpfung an die Epoche der im 18. Jahrhundert begonnenen Aufklärung.

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[1] Mallarmé, Stéphane: »La musique et les lettres«. 1895, Libraire Académique Didier.

[2] Shaviro, Steven: »Die Pinocchio Theorie«. 2018, Merve Verlag Leipzig.

[3] Ebd.

[4] Bauer, Thomas: »Die Vereindeutigung der Welt – Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt«. 2018, Reclams Universalbibliothek.

[5] Stephen Metcalf: » Die Idee, die die Welt verschlingt«. 22.12.2017, Der Freitag.

[6] Zweig, Stefan: »Die Monotonisierung der Welt«. 1990, S. Fischer Verlag.

[7] Arendt, Hannah: »The Aftermath of Nazi Rule: Report from Germany«. Oktober 1950, Comentary Magazine.

[8] Hessel, Stéphane: » Empört Euch!«. 2011, Ullstein Verlag.

[9] Wieland, Dieter: »Wir brauchen eine neue Aufklärung«. 03.01.2020, Open Space Zeitz.

[10] Hochmann, Lars: » Wir müssen Wirtschaft grundlegend neu denken«. 27.08.2020, Capital.

[11] Bauer, Thomas: »Die Vereindeutigung der Welt – Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt«. 2018, Reclams Universalbibliothek.

[12] Nöfer, Tobias: »In Kopenhagen ist man schon weiter«. 10.01.2020, F.A.Z.

[13] Vahland, Kia: »Erobert die City zurück«. 03.08.2020, Süddeutsche Zeitung.

[14] Blom, Philipp: »Das grosse Welttheater – von der Macht der Vorstellungskraft in Zeiten des Umbruchs«. 2020, Paul Zsolnay Verlag.

[15] Knüll, Marianne: »Im Netz der Zauberer: Eine andere Geschichte der Familie Mann«. 1993. Fischer Taschenbuch Verlag.

[16] Dierksmeier, Claus: »Quantitative Freiheit – Selbstbestimmung in weltbürgerlicher Verantwortung«. 2016, transcript Verlag.

[17] Siehe 14.

[18] Byung-Chul Han: »Vom Verschwinden der Rituale - Eine Topologie der Gegenwart«. 2019, Ullstein.

[19] Vgl. 2

[20] Assheuer, Thomas: »Der Geist des Kapitalismus«, ZEIT Online, 10.11.2020

[21] Vgl. 6

[22] Kant, Immanuel: »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten«. 1785, Verlag J. F. Hartknoch.

[23] Szymanski, Mike: »Der deutsche Testmarkt – Das Haßloch-Experiment«. 19.05.2010, Süddeutsche Zeitung.

[24] Vgl. 6

[25] Vgl. 2

[26] Vgl. 6

[27] Vgl. 14


Organisationsästhetik als Konzept und Dimension – Eine Komprimierung

„Nicht die Sinne trügen, sondern der denkende Verstand.“

Eine streitbare und herausfordernde Aussage – besonders in heutigen Zeiten. Sie stammt aus dem Vierten Buch „Von den Sinnen“ in „De rerum natura – Über die Natur der Dinge“ von Lukrez.

 

In sehr komprimierter Art und Weise fasse ich im Folgenden die grundsätzlichen Aspekte meines Verständnisses von „Organisationsästhetik“.

Atmosphären und Vorstellungen

Zum Einstieg und als konkrete Anschauung mag die Vergegenwärtigung von Erinnerungen, Erfahrungen und Erlebnissen dienen, die, trotz unterschiedlichster individueller Hintergründe, Fantasien und Sehnsüchten, kollektiv und synchron Assoziationen hervorrufen, wenn es beispielsweise um bestimmte Orte geht: Rom, Paris, Berlin rufen ihre je ganz eigenen Atmosphären ins Gedächtnis; Südfrankreich, Süditalien, Südspanien sind mit je unterschiedlichen aber ganz spezifischen Emotionen verbunden; Hotels, wie zum Beispiel das „Cipriani“ in Venedig das „Carlton“ in Cannes, das „Mena House“ in Kairo, leben noch heute von einer ganz bestimmten Aura und ziehen das Publikum an, das an dieser teilhaben beziehungsweise ein Teil davon werden möchte. Ganze Hotelketten firmieren in den Namen von Traditionshäusern, um von deren Strahlkraft zu profitieren.

Atmosphären und Vorstellungen entstehen mit und durch Gefühle, die potenziell für andere Menschen spürbar sind.

Ästhetische Systeme

Und wie Städte und Hotels ihre ganz eigene Ästhetik besitzen, so gilt das Gleiche für Organisationen. Die Bekleidung und der Habitus von Mitarbeitenden bei „Peek und Cloppenburg“ und „C&A“ unterscheiden sich seit Jahrzehnten, ohne dass die Erklärung in der Bezahlung liegt.

Eine Rechtsanwaltskanzlei im Zentrum von Frankfurt am Main unterscheidet sich mitunter grundlegend von einer Vergleichbaren im Umland, obwohl beide mit gleichem wirtschaftlichem Erfolg geführt werden. Geprägt wird die je eigene Ästhetik durch die Region, die Lage, die Ausrichtung, die Klientel, die Haltung und den Anspruch der Eigentümer – um nur einige der offenkundigsten ästhetischen Parameter und Qualitäten zu benennen.

Ästhetische Systeme existieren in jedem Umfeld. Sie sind wie Räume, die sich nach und nach in der Begehung zu einer Wohnung, zu einem Haus, zu einem Ort, zu einer Stadt miteinander verknüpfen. Die Räume sind in ihrer je eigenen und unterschiedlichen Zuordnung und Nutzung definiert und gleichermaßen miteinander verbunden. Sie bilden den äußeren Bezugs-Rahmen, der jedoch selbst schon die ästhetische Atmosphäre in ihrer Gesamtheit insgesamt gestaltet und wirksam prägend Einfluss nimmt.

Ästhetische Beschaffenheit und ihr Einfluss

So besitzen auch Organisationen, jeder Organisationsalltag ästhetische Dimensionen, auf der Mikro-, Meso- und Makroebene – einschließlich der darin sich manifestierenden Themen wie zum Beispiel Führung, Struktur, Kommunikation, Kultur.

Die ästhetische Beschaffenheit hat direkten Einfluss auf das Individuum, auf die Gruppe, auf das soziale Gefüge (inkl. interner und externer Kommunikation) und damit nicht zuletzt auf Arbeitsbeziehungen, Leistungen und Außendarstellung – beispielsweise sichtbar und erkennbar im Corporate Design, in der Corporate Identity – erlebbar in der Kultur und im Umgang miteinander – wahrnehmbar durch unterschiedliche die Akteure in den unterschiedlichen Prozessen, in ihren jeweiligen Rollen, auf den verschiedenen Ebenen einer Organisation. Dieses ästhetische System ist immanenter Teil und zugleich organisationale Ressource.

Dies lässt sich je nach dem Grad der Bewusstheit mehr oder weniger konkret benennen und ist abhängig von der Gleichzeitigkeit der Eindrücke und der Komplexität an Wahrnehmungen. Mit der aktiven Auseinandersetzung wird indes auch implizites Wissen lesbar und damit zugänglich, das Wechselspiel zwischen Schärfen und Unschärfen verringert sich und es entsteht mehr Leuchtkraft.

Überdies schaffen Bildsprache und Sprachbilder Identifikation mit Werten und Zielen. Die je eigenen Narrative formen die je eigene, bewusst und unbewusst gestaltete Ästhetik. Denn zwischen Individuum, Organisation, Gemeinschaft und Gesellschaft besteht ein unauflösbarer Zusammenhang.

Ästhetik ist vorhanden, ob gewollt oder nicht, ob gestaltet oder nicht, bewusst oder unbewusst, stimmig oder unstimmig, Ordnung stiftend oder verhindernd, mit ganz spezifischen Assoziationen, Botschaften und Aussagen, mit dahinter liegenden Hierarchien und Machtstrukturen, sowie psychologischen Aspekten.

Definition „Ästhetik“

Ästhetik ist als menschliche Kondition eine komplexe Wahrnehmung, die die Sinne anspricht. Sie macht das Unsichtbare erfassbar. Das Wahrgenommene wird differenziert eingeordnet, beurteilt und bewertet. Zusammenhänge und Wechselwirkungen werden mittels einer mehrdimensionalen Betrachtung und kreativer Leistung zu einem stimmigen Beziehungsgefüge vernetzt. So buchstabiert können die sinnlichen Wahrnehmungen als Erfahrung und Erkenntnis gelesen werden. In diesem expliziten und impliziten Wissenssystem entfalten sich dynamische Möglichkeiten, die zu Wirklichkeit werden können

Definition „Organisationsästhetik“

Organisationsästhetik befasst sich mit der ästhetischen Dimension der Konstitution von Organisationen. Sie gründet auf ästhetischer Philosophie und resultiert aus dem Verständnis, dass Organisationen in ihrer Komplexität über die Kognition hinaus wahrgenommen und erlebt werden. Die durch sinnliche Wahrnehmung generierten Erkenntnisse amplifizieren Wissen in epistemischer und perzeptiver Ausprägung und bilden sowohl die subjektive als auch die kollektive Wirklichkeit ab und nehmen wirksam Einfluss.

Damit gründet Organisationsästhetik auf der Anschauung, dass Ästhetik ein Fundament menschlichen Wissens ist, durch sinnliche Wahrnehmungen entsteht und durch sie erweitert wird. Damit ist sie die konnektive Perspektive in der Organisationstheorie und -praxis.

Hermeneutisches Potenzial und Orientierung

Die Ästhetik umschließt die Vielschichtigkeit von Wirklichkeiten, die nicht rein arithmetisch, mathematisch und wissenschaftlich zu ergründen sind.

Gleichzeitig umfasst sie die Bedingungen für Erkenntnis, Wissen und andere Konditionen von Überzeugungen, Gewissheiten, Erfahrungen, Rechtfertigungen.

Auf diese Weise verknüpft die ästhetische Dimension mit ihrem hermeneutischen Potenzial Geist und Materie, sie reduziert das Fragmentarische, das Unbestimmte. Weit auseinanderliegende Aspekte können miteinander verbunden werden und verknüpft wahrgenommen werden. Der Umgang mit Komplexität wird ermöglicht.

Wie auf einer Landkarte entstehen eine Orientierung und eine klarere Vorstellung vom Ganzen – und insofern eine Erweiterung des Erkenntnisraumes gegenüber dem reinen Intellekt. Dies ermöglicht – als zusätzliche epistemologische Perspektive – sich den Prinzipien des Ganzen zu nähern und diese konkreter formulieren zu können – mit im Ergebnis analytischen und synthetischen Urteilen.

Veränderungen und Transformationen

Grundlegende Transformationen im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem sind bereits zu erkennen, ihr Ausmaß bei weitem jedoch nicht auszumachen, geschweige denn zu spüren. Neuverhandlungen über die Verteilungsgrundsätze von Ressourcen haben bereits begonnen. Doch noch ist nicht absehbar, welche Interessen mächtiger sein werden – abgesehen von den klimatischen Veränderungen, die über kurz oder lang notwendige Maßnahmen und Anpassungen erzwingen werden. Nicht zuletzt der vorherrschende Methodenmonismus der vergangenen Jahrzehnte wird infrage gestellt und in seiner jetzigen Ausprägung von geeigneteren Herangehensweisen überholt werden.

Um auf diese unabwendbaren Entwicklungen adäquat reagieren zu können, um ins Agieren zu kommen, braucht es ein neues Verständnis und eine neue Qualität, nicht zuletzt für die Wahrnehmung von Organisationen, das diese als dialektische Systeme begreift – in sich geschlossen, mit eigener Kultur und gleichzeitig offen und fragil, Einflüssen von außen ausgesetzt, Veränderungen unterworfen.

Immer mehr und immer enger werden analoge und digitale Welten miteinander vernetzt, mit immer mehr Überschneidungen und den damit einhergehenden Friktionen.

Hierbei wird ein ästhetischer Wissens- und Wahrnehmungsmodus, der die Reflexion über sich selbst und die eigene Umgebung beinhaltet, immer maßgebender.

Zukunftsperspektive

Die ästhetische Perspektive ermöglicht eine neue, differenzierte Betrachtung von Organisationen. Derzufolge sind diese von Menschen gemachte Erscheinungen; sie verändern sich permanent, sind verhandelbar sind und implizieren eine positive Haltung zur Zukunft.

Denn: Jede menschengemachte Ordnung und Struktur – und Prinzipien, Normen – sind nicht natürlich, ständigen Veränderungen unterworfen und somit flexibel, modifizierbar, gestaltbar, und darüber hinaus anders denkbar.

Damit ist Organisationsästhetik für die Weiterentwicklung von Organisationen ein Mehrwert von zentraler Bedeutung für die Ausbildung von operativer Exzellenz (OPEX). Sie dient der Identifizierung, der Konzeptualisierung und der Analyse von Strukturen und unterschiedlichen Aspekten – besonders im Hinblick auf das Thema „Transformation“ und „Change“.

Als Perspektive und angewandtes Konzept, um Antworten auf zukünftige Herausforderungen geben zu können, stellt sie den Status quo beständig in Frage, hinterfragt Umstände sowie internalisierte Normen (und Werte) und ermöglicht neues Denken.

Vergleichbar ist das mit leeren, weiß gestrichenen Räumen, die gestaltet werden können, damit eine wahrnehmbare Atmosphäre entsteht, eine Dichte, Mehrdimensionalität und ein Zusammenhang.

Auf sinnlicher Wahrnehmung basierendes Wissen

Der ästhetische Ansatz erweitert Wissen und Erkenntnis um die Dimension des Sinnes- und Wahrnehmungsvermögens und ist insofern eine Ausprägung von menschlicher Intelligenz.

Er zeichnet einen Weg aus dem hegemonialen linearen Denksystem heraus, und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass sich Organisationen beständig verändern, Unwägbarkeiten ausgesetzt und unterworfen sind – sei es beispielsweise aufgrund von neuen Rechtsnormen, die sich ganz unterschiedlich auf die organisationalen Ebenen und Facetten auswirken.

(An dieser Stelle sei das Thema „Rechtsästhetik“ erwähnt, das einmal mehr auf das weit gefächerte und entwickelte Potenzial der ästhetischen Philosophie hinweist, aus dem auch die Organisationsästhetik schöpft.)

 

Die Vielfalt der physischen, materiellen Dinge der Welt ist endlich, die Möglichkeiten der geistigen Dinge sind unendlich. Das ist grundlegend, um daraus ein im ästhetischen Sinne ein stimmiges, zusammenhängendes Gefüge gestalten zu können. Das gilt ebenso für die gesamte gesellschaftliche Realität.

Dabei geht es nicht darum unterschiedliche ästhetische Wert-Urteile zu verteidigen, gegeneinander abzuwägen und sie in eine Rangfolge zu drücken, sondern vielmehr um eine kritische Betrachtung und Analyse, um einen Prozess, der ein umfassenderes entwickeltes Urteilsvermögen ermöglicht.

Es geht um Wissen, das nicht rein rational, sondern zudem auf sinnlicher Wahrnehmung basiert, das nicht rein logisch herleitbar ist, item die Wirklichkeit abbildet und durch diese Erweiterung ein größeres Bild entstehen lässt, das mehrdimensional betrachtet werden kann.

Indem sinnliches Empfinden in seiner Bandbreite von konkret bis abstrakt reicht, beinhaltet Ästhetik sämtliche vorhandenen Möglichkeiten und ein Versprechen für diese Möglichkeiten, entwickelt werden zu können.

Für Erkenntnis braucht es Wissen und Emotion. Sie ist die Intelligenz der sinnlichen Wahrnehmung und liefert ästhetische Resultate, die mehr als die Summe ihrer Teile sind...für eine #NeueÄsthetischeDimension.


Die 5K der ästhetischen Beratung für Exzellenz Beitragsbild Contor Franck

Die 5K der ästhetischen Beratung für Exzellenz

Das 4K-Modell

Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und Kritisches Denken sind die Schlüsselkompetenzen des 4K-Modells, das für Lernende in den USA entwickelt wurde und für aktuelle und zukünftige Herausforderungen von zentraler Bedeutung sind.

(Durch Andreas Schleicher (OECD) wurde 2013 auf der Re:publica das Modell auch in Deutschland ein Thema.)

 

Dieses Modell soll kognitiv dazu befähigen mit Komplexität auf individueller wie auf kollektiver Ebene umzugehen, sie zu erkennen und zu verstehen, sich mit ihr auseinanderzusetzen und handlungsfähig zu sein.

Jede Beratung – und die ästhetische Beratung im Besonderen – ist in partizipativer Interaktion auf die oben genannten und sich gegenseitig bedingenden Kompetenzen angewiesen, um erfolgsorientiert und in jeder Hinsicht gewinnbringend die Anliegen der Kunden verstehen, analysieren und gestalten zu können. Zudem verhilft das damit einhergehende komplex vernetzte Denken dazu, neue Einsichten, Inspiration und Ideen sowie Zusammenhänge zu erkennen und herzustellen.

All dies vollzieht sich im besten Sinne überfachlich, nicht getrennt nach Schubladen, Themen, Gebieten oder Zuständigkeiten, sondern in vier Dimensionen für den klaren Blick auf Möglichkeiten und Potenziale.

Eine ausführliche Darlegung zu den vier Dimensionen eines Projekts finden Sie im Beitrag „Die 4 Dimensionen eines Projekts" im Journal bei CONTOR FRANCK.

 

Das 5. K

Für die Gestaltung von ästhetischen Konzepten auf Unternehmens- bzw. Organisationsebene bedeutet das konkret, dass diese – als Raum verstanden und Ganzes betrachtet – stimmig oder unstimmig empfundenen werden können. Indem die ästhetische Gestaltung über das Empfinden hinausgelangt, entsteht ein systemischer Mehrwert: Perspektiven entstehen, der Raum insgesamt wird größer, Türen öffnen sich verbindend, ein vollständiges Gefüge entsteht, die Leuchtkraft verstärkt sich.

In diesem Verständnis erweitert und vervollständigt CONTOR FRANCK das Modell um eine fünfte Schlüsselkompetenz: Konzeptionelles Erkennen. Dieses ist essentiell, damit ästhetische Gesamtkonzepte entstehen können.

 

Oft sind es nur einzelne Räume, die betrachtet und mit beratender Unterstützung umgestaltet werden – wie z.B. HR-Themen, Marketing, Outsourcing, Digitalisierung, Einkauf-Verkauf etc.

Der größere Zusammenhang des Beziehungsgeflechts und die Interdependenzen werden nicht in den Blick genommen und angefasst, was Friktionen verursacht und Verluste beschert.

Es verhält sich dabei wie bei Musik. Sie kann erst gespielt werden, wenn Technik und emotionale Erfassung sowie der Wille zur Analyse miteinander verbunden werden und damit einen Ausdruck erhalten. Dann entsteht aus Noten und Struktur ein komplex komponierter Raum.

Und nicht eher als mit konzeptionellem Erkennen komplettieren sich Ansprüche und Möglichkeiten, können komplexe Mehrdimensionalität und deren Zusammenhänge hergestellt und rein affektive Anschauungen in einen übergeordneten Zusammenhang gebracht werden. Es ergibt sich ein konstruktiver Umgang mit dieser Komplexität, der unmittelbar wirksam wird.

Die Beschaffenheit der 5K im Einzelnen

Kommunikation...

...ist auf Wechselseitigkeit hin angelegte Übertragung von Informationen und Botschaften mittels Zeichen und Sprache, um eigenes und anderes Denken und Handeln zu fassen und mitzuteilen. Sie vollzieht sich bewusst und unbewusst, verbal und nonverbal zwischen Sender/n und Empfänger/n in De- und Enkodierung auf verschiedenen Wegen, mit verschiedenen Mitteln und auf verschiedene Arten.

 

Kollaboration...

...ist – wie Kooperation – ein wesentliches Merkmal menschlichen Denkens und Handelns. Sie ist eine absichtsvolle Zusammenarbeit, die durch Teamfähigkeit bedingt ist. Sämtliches Wissen und Können, Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitwirkenden sowie deren Erfahrungen, Stärken und Potenziale werden aktiv in einem fortlaufenden Prozess entsprechend den Ressourcen und Möglichkeiten für ein definiertes Ziel eingesetzt.

 

Kreativität...

...ist ästhetischer Ausdruck komplexen, schöpferischen Vermögens und realisiert sich im mehrdimensionalen Handeln und Denken.

Sie verbindet frei von Gesetzmäßigkeiten bisher unverbundenes, setzt vorhandene Elemente neu ordnend zusammen, strukturiert Möglichkeiten, verschiebt Grenzen und beruht auf vernetztem Denken. Friktionen werden lösungsorientiert und konstruktiv gehandhabt.

Je nach Vorstellungskraft oder Ausprägung ist Kreativität zielgerichtet oder ergebnisoffen und schöpft aus unterschiedlichen und verschiedenen Potenzialitäten.

Kreativität beruht auf vernetztem Denken, Gestaltungswillen, Offenheit und Ambiguitätstoleranz sowie Handlungsfähigkeit und Entscheidungssicherheit.

 

Kritisches Denken...

...ist der Gebrauch des eigenen Verstandes in Verantwortung für die Qualität eigenen Denkens. Dies geschieht in selbstregulativer Urteilsbildung: selbstgesteuert, selbstdiszipliniert, selbstreflektiert, selbstüberwacht und selbstkorrigierend, mit Distanz zu sich selbst, eigenen und anderen Denkweisen, Einstellungen und Erwartungen.

Kritisches Denken ist damit eine geistig-analytische Haltung, in der Eindrücke strukturiert und dahinterliegende Wirkungen, Effekte, Affekte, Motive und Motivationen erfasst werden, um Klarheit über Fragen und verfolgte Absichten, Aussagen, Folgerungen und Standpunkte zu erhalten

mit der Suche nach alternativen Hypothesen, Erklärungen, Ursachen, Plänen, Lösungen, Konzepten und Perspektiven. Es ist Evaluation im Rahmen des eigenen Denkens, das damit Halt in sich selbst findet. Insofern ist es ein Arbeits- und Erkenntnismittel.

 

Konzeptionelles Erkennen...

...ist mehrdimensionales Erfassen und Verstehen von Komplexität – in Begriffen, Erfahrungen, Anschauungen, Erkenntnissen und Wissen, in Distanz und Abstraktion – um klare Strukturen zu schaffen und Konzepte kohärent und anspruchsvoll zu gestalten.

Beruhend auf vernetztem Denken mit Verknüpfungsfähigkeit und Transferleistung können Potenziale aufgespürt, verdeckte Möglichkeiten identifiziert und Zusammenhänge hergestellt werden. Die bewusste Verbindung von sinnlicher Wahrnehmung und Verstand, führt vom Konkreten zum Abstrakten und wieder zurück und ist insofern eine praktische Form der Erkenntnis. Empfindungen werden in Wissen und Können transformiert.

 

Die vorstehenden 4K werden mit konzeptionellem Erkennen lösungs- und ergebnisorientiert eingesetzt, in einen Zusammenhang gebracht und damit einer längerfristigen Perspektive mit nachhaltigen Resultaten Raum gegeben. Denn:

  • Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
  • Um zu einer Konzeption zu gelangen, ist es erforderlich, sich schon von Anbeginn einen Begriff vom Ganzen zu machen und daraufhin ausgerichtet flexibel zu arbeiten.
  • Erkenntnisvermögen und -kraft werden befördert, objektiv gültige Vorstellungen erwachsen – auch aus Erfahrungen – und mithin die Fähigkeit, Wissen zu erlangen.

...für Exzellenz und eine #NeueÄsthetischeDimension.

 

Matthias Franck

 


Beitragsbild-Contor-Franck-Harry-Clark-über-Farben

Über Farbe/n...

Über Farben und ihre Bedeutung für das ästhetische Empfinden, die sinnliche Wahrnehmung und Wirkung bezüglich Klang, Kontext, Musik, Sprache und Komposition.

Farbe repräsentiert, wie die übergeordnete Dimension „Ästhetik“, die Komplexität der Welt, die nicht rein rational, als arithmetische oder geometrische Folge oder insgesamt wissenschaftlich zu erfassen und zu begreifen ist; denn Farbe – wie auch Ästhetik – besteht zu wesentlichen Teilen in sinnlichen, lebendigen Wechselwirkungen.

Die bewusste Auseinandersetzung mit Farbe, das bewusste Hin-Sehen und Wahrnehmen von Farbe und deren Feinheiten, bilden ein eigenes visuelles Denken, Erkennen und Wissen aus. Farbe ist ein integraler Bestandteil für die Erfassung, Erfahrbarkeit und Aneignung der Welt. Diese liegt in ihrer Mehrperspektivität begründet: Farbe ist immer eigenständig, ist immer eine Nuance, hat immer eine Tönung, ist immer Teil eines Systems und zugleich in ihrer Zusammensetzung ein System für sich und ist immer abhängig vom jeweiligen Kontext.

Eine Zusammenfassung aus Vorträgen zum Thema „Gestaltung mit Farbe“ von harry clark und Matthias Franck – in den „news“ bei harryclarkinterior https://www.harryclarkinterior.com/de/ueber-farbe-n-eine-zusammenfassung-aus-vortraegen/


Dienstleistungsproduktivität der Post-Corona-Zeit

Noch immer ist kein konkretes Ende für die Zumutungen der Corona-Pandemie erkennbar. Vielmehr stehen uns noch einschneidende Wochen oder Monate bevor, in denen in vielen Unternehmen, nicht zuletzt in der Dienstleistungsbranche, mehr oder weniger alles auf Abruf bereit stillliegt. Täglich wächst der Druck, die entstehenden Verluste abzufedern, aufzufangen, zu kompensieren, das Bestehen des Unternehmens zu sichern. Dazu gehören auch Ideen und Konzepte der Produktivitätsgestaltung für die Post-Corona-Zeit – im Wissen darum, dass der Status quo ante sich nicht mehr einstellen wird.

 

Hierfür greifen indes Maßnahmen zu kurz, die nur auf der rationalen Ebene einer Zahlenschau des In- und Outputs aufgebaut sind, um zukünftige Herausforderungen resilient stemmen zu können. Überdies braucht es Kreativität, die aus verschiedenen Potenzialitäten schöpft und sich mit vernetztem Denken, Offenheit und Ambiguitätstoleranz der Gestaltung von Produktivität nähert.

 

Wirkungskreisläufe

Denn vor allem anderen geht es bei Dienstleistungen um Menschen. Und damit wird es komplex, anspruchsvoll und niemals monoton.

Dienstleistungsprozesse lassen sich nicht linear betrachten, nicht in ein lineares Korsett schnüren. So gilt es nicht nur die Wirkungsketten in den Blick zu nehmen, sondern die komplexen Wirkungskreisläufe im Leistungserstellungsprozess insgesamt zu betrachten und mit einzubeziehen, die sich dann wiederum in den Kennzahlen des Controllings abbilden.

Hierzu zählen die vielen Schnittstellen zwischen autonomer Arbeitsgestaltung und professioneller Interaktion sowie die relationale Ebene der Kunden und Mitarbeitenden als auschlaggebenden Einflussfaktor auf die Dienstleistungsarbeit – und sei es die das digitale Format, mit dem die Kundenbeziehungen entstehen und aufrechterhalten werden.

Diese Heteronomie der Dienstleistung – der Einfluss externer Faktoren, die Koordination, Steuerung und Kontrolle dieser Beziehungen – besitzt überdies die zentrale, oft vernachlässigte Dimension der sinnlichen Wahrnehmung, mit Subjektivität, Emotionen und psychologischen Komponenten insgesamt.

Es sind gleichsam nicht-materielle Faktoren essentiell, um den Anforderungen der Produktivitätssteuerung gerecht zu werden, wie z.B. das Image, die Zahnräder ineinandergreifender Prozesse, Ressourcen der Kunden, Kundenansprache und -verabschiedung, Freundlichkeit (denn auch die vermittelt sich als Wertschätzung direkt oder indirekt – auch über die Außendarstellung in den sozialen Medien).

 

Produktivitätsgestaltung

Diese ästhetischen Bereiche – mit nicht nur monetär bewertbaren Größen, sondern mit z.B. qualitativen Daten der Kunden- und/oder Mitarbeitendenzufriedenheit – können professionell mit relevanten Werkzeugen und Methoden als weitere Kennzahlen für die Produktivität genutzt werden. Denn: Dienstleistungsarbeit weist sich durch autonome, relationale und heteronome Leistungsbestandteile aus, wie die bereits erwähnte Integrativität externer Faktoren.

Von da aus sind sämtliche Maßnahmen der Produktivitätsgestaltung simultan unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit, Zweckdienlichkeit sowie der Sicherheit, Zumutbarkeit und Zufriedenheit aufeinander abzustimmen.

 

In diesem Zusammenhang sei auf den Unterschied zwischen emotionaler und kognitiver Empathie verwiesen, der beim erfolgreichen Modellieren der Produktivität zu beachten ist:

Mit der emotionalen Empathie erkennen wir Emotionen und Gedanken anderer Personen nicht nur, sondern können diese auch nachempfinden; hingegen ist die kognitive Empathie die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und zu spüren, was für diese opportun ist, um sie damit manipulativ zu locken.

(vgl. Dr. Pablo Hagemeyer, Interview bei SinndesLebens24., 15. Oktober 2020)

 

Schließlich endet die Betrachtung der Produktivität an dem Punkt, an dem die Kunden das Ergebnis der von ihnen nachgefragten Dienstleistung erhalten und bezahlt haben – mit einem nachhallenden positiven oder negativen Gefühl aufgrund einer Strategie, die im guten Falle auf einem professionellen, nachhaltigen Veränderungsmanagement beruht.

 

Matthias Franck


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Das Ästhetik-Lexikon bei CONTOR FRANCK

Das Lexikon bei CONTOR FRANCK https://contorfranck.de/aesthetik-abc/ ist neu aufgesetzt. Was dabei sichtbar wird, sind die vielen Lücken im Alphabet, die es noch aufweist, und damit die Aufgabe, der wir uns verschrieben haben.

Ich lade Sie herzlich ein, gerne öfter auf unserer Website vorbei zu schauen und dabei Neuigkeiten – insbesondere neue Definitionen – zu entdecken.

Kein anderes Thema als die „Ästhetik“ stellt mehr Verbindungen und Zusammenhänge her, kein anderes Thema macht Abhängigkeiten und Wechselwirkungen spürbarer, erlebbarer, wahrnehmbarer und lesbarer.

Und so folgen diese Ausführungen sämtlich unserem Verständnis als Denkfabrik und Unternehmensberatung.

 

"Wirtschaftliche Aktivitäten sind untrennbar mit der Schaffung von Werten zum Nutzen für die Gesellschaft und mit dem Wunsch des Einzelnen nach einem produktiven Engagement in der Gesellschaft verbunden." (Clausewitz – Strategie denken. Herausgegeben vom Strategieinstitut der Boston Consulting Group, 2013, Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 5)

 

Die Relevanz von Ästhetik

Die Relevanz des Themas „Ästhetik“ – nicht nur für alle Ebenen und Bereiche von Organisationen und Institutionen – lässt sich unter den nachfolgend aufgeführten Aspekten nicht wegdenken.

Ebenso wenig wegdenken lassen sich die im Laufe der Jahrtausende entwickelten philosophischen Antworten zu ästhetischen Phänomenen in ihrer Gesamtheit – denn Wissen intensiviert ästhetische Wertschätzung.

 

"...Sinne und Sinnlichkeit sind uns in ihrer offenen Rezeptivität fremd geworden...Sodass es uns selbstverständlich, ja rational scheint, den Sinnen zu misstrauen...Nur im Zügel des Verstandes...nur so glauben wir...Welt „wirklich“ sehen zu können..." (Klaus Binder:  „Warum Lukrez lesen und wie“ – aus: Lukrez: „Über die Natur der Dinge“, 2014, Büchergilde Gutenberg, s. 19)

 

Das Ästhetik-Lexikon von Begriffen und ihren Definitionen

Im Lexikon bei CONTOR FRANCK tragen wir nach und nach Begriffe und deren Definitionen zusammen, die als 100+ Orientierungspunkte auf einer Landkarte verteilt sind – für eine Annäherung an die Kartierung der Landschaft von „Ästhetik“ und deren fassbare Terrains:

So lassen sich Zusammenhänge erkennen und/oder herstellen, nach und nach verweben sie sich zu einem komplexen Gesamtbild und in der Anwendung sind sie wesentliche Bestandteile, um Gesamtkonzepte zu erschaffen.

Die Definitionen verstehen wir als Bestimmungen zu unserer Anschauung von Ästhetik und wir begreifen sie als nichts Geringeres als die Bausteine zur Entwicklung und zum Aufbau eines möglichen Systems der Ästhetik – spezifisch bezogen auf Organisationen und Institutionen, zur Beleuchtung, Klarstellung und Abgrenzung und ganz allgemein bezogen auf soziokulturelle Aspekte ... für eine #NeueÄsthetischeDimension.

 

Hier: als zentrale Aspekte für die Narrative selbstbewusster Organisationen und Institutionen und ihrer Resonanz mit Kunden, Kooperationen und Mitarbeitenden.

Zur Orientierung definieren die Begriffe theoretisch eine objektive Realität, um sie subjektiv erkennbar und beschreibbar zu machen und um damit über den Horizont der eigenen Erfahrung hinausgehen – Verbindungen zwischen fremdem und Eigenem sichtbar und lesbar machen.

Sie öffnen und gestalten Denkräume und sind Grundlage für Gedankenexperimente, die auf das Ganze zielen.

Dafür sind sie so eindeutig, so eng und so zirkelfrei wie möglich erfasst und als terminologisches Kondensat absichtsvoll auf der Meta-Ebene angesiedelt, um sie flexibel und damit gewinnbringend in lesbaren Dimensionen, konkreten Fragestellungen und unterschiedlichsten Situationen anzuwenden – und um ein stabiles, tragfähiges Fundament zu legen, auf dem die verschiedensten ästhetischen Konzepte entwickelt werden können.

Die Definitionen entsprechen dem aktuellen Stand unserer Erkenntnisse und werden kontinuierlich angepasst, wenn sich neue Perspektiven eröffnen, die die jeweiligen Begriffe präzisieren und ihrem Kern damit näherkommen.

 

Die Meta-Ebene

Die Meta-Ebene...

  • ...trägt der Anerkennung Rechnung, dass Wirtschaften im Kontext dynamischer Bedingungen geschieht und flexibles Agieren und Reagieren notwendig macht. Denn: Unternehmensgewinne entstehen in der erfolgreichen Auseinandersetzung mit Ungewissheiten und Friktionen, durch Kreativität, Intuition, und im Umgang mit dem Zufall sowie der Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeiten.

Denn: „Der Zufall spielt eine zentrale Rolle im Leben. Das ist anzuerkennen“ und

ebenso „auch die Verantwortung für die Differenzspielräume..., die durch unsere persönlichen Entscheidungen innerhalb der Zufallsparameter entstehen.“

(Maria Popova, „Findungen“, 2020, Diogenes Verlag, S. 279)

  • ...lässt Raum für die Produktivität von Gegensätzen und beinhaltet Facetten des Komplexen.
  • ...führt vom Sinnlichen zum Abstrakten und zurück, denn wir benötigen die unterschiedlichsten Erfahrungen aus unserer unmittelbaren Umgebung, um uns in abstrakten Räumen zurecht zu finden.

Aktuell: Durch die stetig wachsende Digitalisierung erweitern sich die uns unmittelbar umgebenden Räume.

  • ...lässt in Abstraktionen etwas finden, was nicht nur scheinbar in Konkretes übertragen werden kann, sondern tatsächlich Verbindungen herstellt.
  • ...abstrahiert von der extremen Volatilität der menschlichen Kognition (den Sinnesempfindungen).

 

Ästhetik ist als menschliche Kondition eine komplexe Wahrnehmung, die die Sinne anspricht und uns die Dinge oder Gegenstände als Objekte und Themen geben, wie sie uns erscheinen und affizieren – und auch das Unsichtbare macht Ästhetik erfassbar.

 

Die Definition des Begriffs „ÄSTHETIK“

Ästhetik ist als menschliche Kondition eine komplexe Wahrnehmung, die die Sinne anspricht. Sie macht das Unsichtbare erfassbar. Das Wahrgenommene wird differenziert eingeordnet, beurteilt und bewertet. Zusammenhänge und Wechselwirkungen werden mittels einer mehrdimensionalen Betrachtung und kreativer Leistung zu einem stimmigen Beziehungsgefüge vernetzt. So buchstabiert können die sinnlichen Wahrnehmungen als Erfahrung und Erkenntnis gelesen werden. Auf diese Weise entfalten sich dynamische Möglichkeiten, die zu Wirklichkeit werden können.

 

Und: weitere Beleuchtungen

  • Ästhetik ist Teil des Menschseins und damit ein grundlegendes Ordnungsprinzip wie die Konzepte Zeit und Raum. Durch sinnliche Wahrnehmung aller Art entsteht Erfahrung – und letztlich Erkenntnis – und darum geht es – und weit über den Begriff „Schönheit“ hinaus.
  • Ästhetik erfasst sämtliche Sinnesempfindungen in Bezug auf Themen und Objekte mit dem Vermögen, diese zueinander in eine Ordnung zu bringen, Möglichkeitshorizonte zu eröffnen und zu einem orientierenden Werturteil zu gelangen – in Bezug auf sich selbst und in Bezug zur näheren und weiteren Umwelt.
  • Ästhetik hat u.a. kulturelle, soziologische, politische und wirtschaftliche Dimensionen.
  • Ästhetik hat a priori einen praktischen Nutzen, einen Sinn, einen Zweck. Sie dient dem Wissensdrang und dem Erkenntnisstreben.
  • Ästhetik verbindet die verschiedenen Facetten der Wirklichkeit.
  • „Der Begriff „Ästhetik“ – das terminologische Kondensat der These, dass das Denken in den „allgemeinen Formen der Sinnlichkeit“ (Humboldt), im „Sinnlichen“ (Schiller), in der „bildlichen Vorstellung“ (Kant) wurzelt – bedarf einer weiteren Präzisierung:

Eine sinnliche Qualität haben nach unserem Verständnis auch die Phänomene des Alltags, die sich nicht auf ein isoliertes, für sich stehendes Wahrnehmungsereignis reduzieren lassen.“

(Daniel Damler, „Rechtsästhetik“, 2016, S. 31)

(...z.B. Ästhetik im Unterschied zu Design – doch das ist ein anderes Thema...)

  • „Als ästhetisches Empfinden bezeichnen wir unsere Kompetenz die Dinge der unterschiedlichsten Bereiche des Lebens in ihrer Verhältnismäßigkeit zueinander wahrzunehmen und darin Ordnung oder Unordnung zu empfinden“ bzw. „die Fähigkeit, alle Wahrnehmungen zueinander in Beziehung zu bringen.“

(Ulrich Halstenbach, „Frei im Kopf“, 2012, S. 22/23)

  • „Alles hängt auf natürliche Weise zusammen und ist miteinander verbunden.“

(Ada Lovelace, 1845)

 

Theorie und die Praxis

Das ist weder rein theoretisch, noch abstrakt, noch ohne jeden Praxisbezug. Vielmehr wird ganz grundlegend sämtliches Denken und Handeln erfasst, benannt, bestimmt und entwickelt.

So führt die abstrakte Theorie hin zur mehrdeutigen Wirklichkeit und in der Praxis lassen sich mit den ästhetischen Begriffen Konzepte inhaltlich gestalten.

Im besten Sinne weitet Ästhetik den Betrachtungshorizont und geht über die rationale Erfassung der Welt hinaus. Sie ist fundamental für die individuelle und kollektive Welterzeugung, die Welterschließung und das Weltverstehen – im Dreiklang: Wahrnehmen-Denken-Erkennen – als Ordnungsrahmen für Komplexität, mit Impulsen für Lösungen und neuen Perspektiven sowie auch in der Kontinuität historischer Bezüge, wobei das Substrat dann mehr ist als die Summe seiner Teile.

Im Thema „Ästhetik“ wird deutlich, dass die physischen und die psychischen Erscheinungen der Wirklichkeit theoretisch und praktisch einheitlich zu betrachten sind.

Dabei mag die Theorie als System mit Begriffen und Definitionen in Teilen unvollendet sein; sie wird jedoch in ihrer praktischen Anwendung ganz konkrete Erfahrungen und Gewissheiten hervorbringen und neue Schlüsse induzieren, die wiederum zur Vervollständigung der Theorie in ihrer Allgemeingültigkeit führen.

Das Wahrgenommene wird differenziert eingeordnet, beurteilt und bewertet. Zusammenhänge und Wechselwirkungen werden mittels einer mehrdimensionalen Betrachtung und kreativer Leistung zu einem stimmigen Beziehungsgefüge vernetzt.

Darüber hinaus meint stimmig nicht „schön“ oder „angenehm“, sondern das Empfinden einer Ordnung, indem die verschiedenen Wahrnehmungen zueinander ins Verhältnis gebracht werden – und dabei auch Unstimmigkeiten in diesen Zusammenhängen erkannt und benannt werden können.

 

Sprache und die sinnlichen Wahrnehmungen

Sinnliche Wahrnehmungen werden mit Sprache buchstabiert und artikuliert und können somit als Erfahrung und Erkenntnis gelesen werden. Das erlangte Wissen wird kommuniziert, gezeigt, dargestellt und angeboten, es wird sich darüber ausgetauscht und verständigt, oder es steht zur Diskussion oder gar zur Disposition.

 

Und: Im Prinzip verläuft dabei im Bruchteil von Sekunden die menschheitsgeschichtliche Entwicklung von Bildern zur Schrift (zur Sprache) ab.

 

Neue Räume des Wirtschaftens und Ästhetik

Unverkennbar und nicht mehr zu verhindern stehen wir am Beginn einer neuen Zeit des Wirtschaftens – auch wenn Gegenkräfte all ihre Macht mobilisieren, um den Status quo aufrecht zu erhalten.

Wie sich dieses neue Zeitalter ausgestaltet ist noch nicht erkennbar. Doch eines steht schon jetzt fest: Wirtschaftliche Stabilität benötigt zukünftig eine veränderte Verteilung von Ressourcen mit einem geweiteten Blick und mit der Einbindung von Moral, Ethik und Verantwortung –  weg vom ausschließlichen Fokus auf die eigenen Absichten und Ziele für fragmentarische Zielgruppen, hin zu einem komplexeren Verständnis für die Kontexte des Wirtschaftens, Geschäftsfelder, Tätigkeiten, Abhängigkeiten, Arbeitsteilung, Arbeitserfüllung, Kontrolle, Produktivität u.v.a.m.

„...Wenn es mit der Gegenwart nicht weitergeht, kommt die Zukunft aus der Vergangenheit...“  lautet die weise Antwort eines Tankstellenwarts auf eine an ihn gerichtete Frage in der französischen Komödie „Zu Ende ist alles erst am Schluss“ (Originaltitel: „Les Souvenirs“). So kommen Antworten dann für einige aus einer rechts-nationalistisch gefühlten Zeit mit einer kaum endenden Negativliste, für andere lassen sich universelle Antworten für die Zukunftsgestaltung im Zeitalter der Aufklärung finden.

Aber für alle Möglichkeiten gilt:

„Damit die Vorstellungskraft die Grenzen des Vertrauten hinter sich lassen kann, ...um sich eine neue Ordnung ...vorzustellen, in der das Gewonnene die undienliche Bequemlichkeit das Verlorene verblassen lässt...“

(Maria Popova, „Findungen“, 2020, Diogenes Verlag, S. 313)

 

Und abschließend mit I. Kant:

„...Die Welt ist das Substrat, ...der Schauplatz...und der Boden, auf dem unsere Erkenntnisse erworben und angewendet werden...“

(„Physische Erdbeschreibung“ – „Die physische Geographie“, Philos.-histor. Verlag Dr. R. Salinger; Leipzig 1877, Erich Koschny, L. Heimann‘s Verlag, S. 9)

 

Matthias Franck


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Bilderrahmen und ihre ästhetische Funktion und Wirkung

In einem Gastbeitrag in den „news“ von www.harryclarkinterior.com umreißt Matthias Franck die ästhetischen Aspekte sowie die unterschiedlichen Dimensionen von Bilderrahmen insbesondere in Bezug als kulturelles Gestaltungselement im Interior Design. Um Wissen wachsen zu lassen, spielen u.a. das Bewusstsein für erforderliche handwerklichen Fertigkeiten und die Wahrnehmung von Moden und deren zeitliche Bezüge eine zentrale Rolle – denn Wissen intensiviert die ästhetische Wertschätzung...https://www.harryclarkinterior.com/bilderrahmen-und-ihre-aesthetische-funktion-und-wirkung/


#NeueÄsthetischeDimension – Der emotionale Mehrwert in Zeiten des Umbruchs

Die Veränderungspakete

Es ist mittlerweile eine hinlänglich bekannte Plattitüde, dass sich Unternehmen und Institutionen in immer größerem Wettbewerb befinden – lokal wie global, analog wie digital. Hinzu kommen durch die Covid-19-Pandemie sich verstärkende gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umbrüche und Umwälzungen, deren Richtung und Ausgang nicht abzusehen sind.

Bisweilen scheint es jedoch, dass das Paket an Veränderungen noch nicht bei allen und bei einigen nur in Teilen angekommen ist.

Angefangen bei der Möglichkeit von „Nur Barzahlung“ (Digitalisierung) bis hin zur offensichtlich vernachlässigten Außendarstellung (Ästhetik) – letztere offenbart sich dann durch Vernachlässigung in Beliebigkeit oder im Verharren in einer vergangenen Zeit.

Es mangelt beispielsweise einem milliardenschweren Startup mit überzeugendem IT-Produkt und viel Erfolg seinen Stolz mittels einer unverkennbaren und scharfen Ästhetik in die Welt zu tragen. So werden auf Messen Vlies-Taschen mit Weißblautönen verteilt, deren Aufteilung und Proportionen erkennbar schon von einer weltbekannten Hilfsorganisation aus Kalkutta besetzt sind oder unverwechselbare Reminiszenzen der Flagge eines beliebten Urlaubslandes wachruft, das sich aus seiner finanziellen Schieflage nur allmählich wiederaufrichtet. Beides doch eher unpassende und verfehlende Assoziationen.

Gut möglich, dass diese gebremsten Leidenschaften unter dem Begriff „Hoffnungskrise“ zu subsumieren sind.

Die Wirtschaft, der Markt – emotionale Systeme

In diesen Zusammenhang passt das Thema, das das zukunftsInstitut in einem seiner Newsletter benennt:

„Wirtschaft ist von Menschen gemacht, sie ist also ein durch und durch emotionales System.“

Wie lange wurde diese Tatsache in der Schublade versteckt und ihre Existenz geleugnet.

Denn rational, wie dies immer wieder gern behauptet und bewertet wird, war die Wirtschaft, waren die einzelnen Unternehmen noch nie. Angefangen zum Beispiel beim Psychogramm eines Unternehmensführers, das die strukturellen Details, die jeweilige Kultur und das Selbstverständnis der Mitarbeitenden prägt.

Alpha-Männchen-Verhalten auf den unterschiedlichsten Management-Ebenen sind ein offenbarendes Beispiel. Die Notwendigkeit einer gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquote für die Vorstandsetagen ist ein weiteres entlarvendes Indiz dafür, wie wenig rational „die Wirtschaft“ tickt, und subtilere Dynamiken innerhalb von Organisationen lassen sich erst durch genaues Hinschauen und Analysieren identifizieren.

„Wir stehen der Welt nicht bloß erkennend, sondern auch wertend gegenüber, nicht gleichgültig, sondern interessiert.“ (Moritz Schlick)

Und nun: In einer Gesellschaft, die sich durch Transformation und wachsende Diversität auszeichnet, steigt der Anspruch an die ästhetische Wahrnehmung als Vergleichs- und Differenzierungsgröße.

Aktuell sind die ersten Vorboten von tiefgreifenden Veränderungen zu erkennen.

Mit „New Work“ als Konzept beispielsweise – mit Grundlagen aus den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts – werden bestehende Arbeitsprozesse hinterfragt, vorhandene Strukturen grundlegend verändert, neue Arbeitsweisen gefordert.  (New Work: Frithjof Bergmann, Marcus Väth). Und auch althergebrachte und über Jahrhunderte bewährte, im neoliberalen System fast untergegangene Leitbilder erfahren mittlerweile eine Renaissance. Immer häufiger wird zum Beispiel wieder das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns aufgerufen, das seit dem 14. Jahrhundert ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein gegenüber Geschäftspartnern, Mitarbeitenden und der Gesellschaft insgesamt einfordert. In Zeiten von sich überschlagenden Purpose-Konzepten ein nicht zu unterschätzender Vergleichswert (Benchmarking).

Die Werteorientierungen verschieben sich

Wir finden uns derzeit an einem Punkt, an dem das gesamte Wirtschaftssystem in Frage gestellt wird: sei es in protektionistischer Ausprägung oder in neo- bzw. ordoliberaler Hinsicht.

Das Bewusstsein und die Sensibilisierung der Menschen für Klimaveränderungen und Arbeitsbedingungen treiben die Umwälzungen immer stärker voran.

In toto verschiebt sich derzeit die gesamte Werteorientierung.

In diesen Zeiten wird ein ästhetisches Erscheinungsbild, das die Persönlichkeit und das Image eines Unternehmens, einer Institution wiederspiegelt, zum non-verbalen Entscheidungsfaktor – ob gewollt oder nicht. Es gibt indessen keinen Automatismus, dass die Ästhetik mit diesem Wandel anspruchsvoller wird und der Komplexität ihrer Wirkung gerecht wird.

„Wenn deine Identität nach demselben Modell zusammengebaut ist wie alle anderen (oder fast alle anderen), siehst du keine Notwendigkeit, sie einer rationalen Prüfung zu unterziehen...und sich in ein bestimmtes Netz von Normen einfügt. So fixieren sich...nach und nach Objekte, bis daraus die mehr oder weniger definierten ... Subjekte entstehen...“. (Luis Allegre)

Als Katalysator für die oben genannten Entwicklungen, kann zusätzlich die Entmenschlichung der Arbeit aufgrund der Dominanz der Controlling-Abteilungen aufgezählt werden, die sämtliche Ebenen und Bereiche einer ökonomischen Analyse unterwerfen. Die Objektivität dieser Analyse ist dabei nie möglich.

So wurde auch die Ästhetik als belastender Kostenfaktor identifiziert und sukzessive abgebaut, aus der Wertschöpfungskette verbannt.

Sie erlitt das gleiche Schicksal wie viele HR-Bereiche aufgrund der Un-Berechenbarkeit ihrer kurzfristigen Wirkung. Was nicht zu berechnen ist, hat keinen Wert, obwohl das Controlling Zahlen nur ex post liefert. Ein weiterer Schwachpunkt für eine in die Zukunft gerichtete Steuerung, aber vor allem ein fehlender Exzellenz-Punkt für gute Führung, Leadership.

Die Ästhetik fristet ein hintangestelltes Schattendasein, wird zur Behandlung ausgelagert, restriktiv kostenmäßig eingehegt und findet sich von den betrieblichen Strukturen abgekoppelt. Die Außendarstellung soll halt irgendwie günstig und „schön“ ausfallen – vor allem entsprechend dem angesagten Zeitgeschmack.

Und das obwohl die visuelle Umsetzung im Corporate Design die Identität, den Charakter und, wie oben bereits erwähnt, die Werte eines Unternehmens transportiert und diese auf eine #NeueÄsthetischeDimension hebt.

Wird Ästhetik nur als Vorwand missbraucht, um nach außen hin attraktiv zu wirken, ist sie nichts weiter als ein Potemkinsches Dorf, in dem nach kurzer Zeit, die Fassaden einstürzen – mit unbezifferbarem Schaden.

Die wachsende Relevanz von Ästhetik

Gleichwohl ist eine wachsende Relevanz von Ästhetik in der Wirtschaft zu beobachten. Allein die Bereitschaft, sich auf dieses Thema einzulassen hat erkennbar zugenommen, zusammen mit sich verändernden Führungsverständnissen und der Frage nach einer übergeordneten Bedeutung.

Beiträge zu ästhetischen Themen schaffen es mittlerweile auch in die Tagespresse.

Nicht zuletzt nimmt der philosophische Diskurs dazu immer mehr an Fahrt auf und wird nach und nach in einen breiten gesellschaftlichen Diskurs münden. So ist eine illustrierte Ausgabe von Alexander G. Baumgartens „Ästhetik“ angekündigt und Sagmeister und Walsh reüssieren mit ihrer Ausstellung „Schönheit“ in Wien und Hamburg – obgleich sich über den dort kurartierten Schönheitsbegriff trefflich streiten ließe.

Nichtsdestotrotz: Ästhetik entfaltet ihre ganze Wirkung erst gewinnbringend, wenn sie frühzeitig in die Wertschöpfungskette eingebunden wird. Auf diese Weise kommuniziert sie eine anspruchsvolle Haltung nach innen wie nach außen. Sie schafft Ordnung und Identifikation, durch die Erkenntnisse, die sie durch die erforderliche Selbstreflektion generiert.

Eine Ästhetik verändert und entwickelt sich (ob gewollt oder nicht) und transportiert ein Image (ob gewollt oder nicht), denn jedes Unternehmen, jede Institution ist ein organisches, lebendiges Konstrukt, dessen ästhetischer Ausdruck zu einem willentlichen Gestaltungsprozess führen kann, nein: muss!

Mit dem Verständnis, dass Unternehmen und Institutionen emotionale Konstrukte sind, lassen sie sich gleichermaßen als Individuen mit eigenen ästhetischen Attributen betrachten.

Wenn die Grundlagen bearbeitet sind, indem eine belastbare Analyse der betrieblichen Abläufe und Prozesse vorliegt – strukturiert und kohärent – Kultur, Inhalte, Positionierung und Ziele klar definiert sind, kann das Thema „Ästhetik“ identitätsstiftend gestaltet werden mit dem Ergebnis eines (immateriellen) Wertes.

Wie für alle Managementfelder gilt auch hier, dass „das Zeitalter der Kreativökonomie angebrochen“ ist „– und es gilt Abschied zu nehmen von der rationalen Leistungsgesellschaft“(zukunftsInstitut: Megatrend New Work) – wenn diese Leistungsgesellschaft denn je rational gewesen ist!?

Purpose ist the new driving force of the economy – (Aaron Hurst / Psychology Today)

Allerdings hat es den Anschein, dass „Kreativität“ vielfach lediglich zum Werkzeug der Profitmaximierung verkommt und in ein eng gefasstes, konformes Korsett geschnürt wird mit vermeintlich relevantem Stellenwert für die „purpose economy“.

Indes: Entscheidend und unbestritten für den Erfolg eines Unternehmens ist ein höherer Sinn, der über die Profitmaximierung hinausgeht und der für loyale Mitarbeiter sorgt.

„...nur wenn wir den Sinn eines Unternehmens kennen und er uns bei der Arbeit bewusst ist, haben wir das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein und unsere Zeit in etwas zu investieren, für das es sich lohnt zu streiten, zu kämpfen, sich anzustrengen.“ (zukunftsInstitut: Rezension: „Der Sinn des Unternehmens“ von Dominic Veken)

Hier entwickelt sich ein neuer Kern in der Unternehmensführung: die emotionale Bindung der stake- und shareholder durch das Gestalten höherer Motivationen und größerer Identifikation für eine #NeueÄsthetischeDimension als integraler Bestandteil unternehmerischer Aktivitäten.

Der „purpose“, „Sinn“ der Arbeit umfasst mehrere Ebenen für Unternehmen wie für Institutionen und ist eher mit dem Begriff „Bedeutung“ zu belegen.

Der verfolgte Zweck und das Ziel sowie deren Art und Weise, die Arbeitsbedingungen, die Kultur, die Orientierung am Gemeinwohl, die Stellung im Wettbewerb, wirken unmittelbar auf die extrinsische und im Besonderen auf die intrinsische Motivation ein.

Folglich steigen die Ansprüche an Arbeit, an Arbeitsformen, Arbeitsverhältnissen und -weisen, die aufgrund der globalen und sozialen Vernetzungen immer intensiver eingefordert werden und mit ihnen echte und faire Möglichkeiten mit Verantwortung für das Glück des Einzelnen wie für die Gesellschaft insgesamt.

Arbeit muss eine Bedeutung haben, die die unternehmerischen Motive mit den persönlichen und den gesellschaftlichen weitestgehend in Einklang bringt, eine erfahrbare Wirkung, individuelles Wachstum, positive Herausforderungen und Gestaltungsspielräume beinhalten, zwischenmenschliche Beziehungen fördern und die Herausbildung co-kreativer Gemeinschaften ermöglichen.

Unternehmen und Institutionen müssen sich mit der Suche nach ihrer Bedeutung und ihrem Sinn auseinandersetzen. Dabei befinden sie sich in einem Geflecht, dessen Komplexität mittels Ästhetik intuitiv vermittelt wird und damit den entscheidenden Unterschied markiert: für Mitarbeitende, Kunden, Geschäftspartner.

„Kunde ist jeder, der dazu beiträgt, dass wir wiederholt eine Leistung erbringen können."(Götz W. Werner)

Zukunftsorientiertes Leadership integriert den kreativen Ansatz ästhetischer Gestaltung und implementiert diesen Prozess als Schlüssel für erfolgreiche Kommunikation nach außen wie nach innen. Im Ergebnis erhöht sich die Attraktivität, wahrnehmbar in der jeweiligen Markierung im Corporate Design, in der Corporate Identity, im Employer Branding.

Die Komplexität einer unternehmensspezifischen Ästhetik

Die Auseinandersetzung mit Ästhetik erfordert einen Weit- und 360°-Blick mit 4-dimensionaler Sichtweise auf das Arbeitsumfeld und darüber hinaus. Als Sinneswahrnehmung ist ihr immanent, dass sie mehrdimensional ist (zum Beispiel auch den Bereich der Führungspsychologie verknüpft) und die vagen Anteile unseres Denkens integrieren und damit Intuitionen leiten kann.

Erarbeitet wird die Ästhetik für das jeweilige Unternehmen, für die jeweilige Institution durch die Betrachtung der Strukturen und Prozesse aus der Distanz, von außen, in Perspektivwechseln mit kreativem Gegenwind für den Status quo.

Die Komplexität an Herausforderungen vergrößert sich mit der Digitalisierung Chancen und Möglichkeiten, die die Zukunft 4.0 mithilfe von 5G bietet.

Dabei kann Ästhetik – im Change-Management mitberücksichtigt – positive Energien freisetzen.

Sie stellt aus den oben angerissenen Themenkomplexen einen größeren, intuitiv erfahrbaren Zusammenhang her und baut einen Orientierungsrahmen.

Im Ergebnis verleiht sie einer komplexen Idee oder Vision Ausdruck und Identität, integriert Ambivalenzen, Unwägbarkeiten und Friktionen und schafft dadurch Orientierung und Perspektive.

Die ergebnisorientierte Beschäftigung mit Ästhetik erzeugt Freude, denn das Resultat ist immer um eine Dimension höher als zuvor durch die auf dem Weg dahin gewonnen Erkenntnisse.

Sinnliche Wahrnehmungen, Gefühle, Ideen, Stimmungen, Wechselwirkungen und komplexe Zusammenhänge werden buchstabiert und können dann als Erfahrung und Erkenntnis gelesen werden. (nach Johann Karl Friedrich Rosenkranz)

Daraus entsteht ein ganz spezifisches Narrativ – für die Positionierung, für das Ziel, für die Bedeutung – das intuitiv erfassbar als #NeueÄsthetischeDimension wahrgenommen werden kann.

Schließlich: Ästhetik gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht das Unsichtbare erfassbar. (nach Paul Klee)

 

Matthias Franck

 


bewölkter dunkler Himmel in Corona-Krise

Die Covid-19-Krise – Eine ästhetische Herausforderung

Krisenzeiten und Wahrnehmung

In ganz unterschiedlichen Bereichen kommt die Welt erschüttert auf unbestimmte Zeit zum Stillstand. Die Sicht darauf hängt entscheidend von der individuellen Lebens- und Arbeitssituation ab und von der unmittelbaren gesundheitlichen oder ökonomischen Bedrohung. Es ist damit nicht zuletzt ein ästhetisches Phänomen, das auf reflektierender Urteilskraft gründet.

In Krisenzeiten werden ästhetisches Empfinden und Wahrnehmen permanent gefordert: Informationen, Lebenseinschränkungen, Vorsichtsmaßnahmen, beruflicher Stillstand sind kritisch zu hinterfragen. Sie müssen subjektiv und kreativ bewertet und damit in ein stimmiges Beziehungsgefüge gebracht werden, um sie dann als Erfahrung und Erkenntnis verarbeiten zu können.

Auf fast täglicher Basis sind wir gezwungen, Wahrnehmungen, Verhalten und Meinungen zu prüfen und zu hinterfragen, um uns die Wirklichkeit aneignen zu können.

„Krisenzeiten schärfen die Wahrnehmung“ (Stefan Willer), benötigen aber auch Leitplanken zur Orientierung.

 

Alltag und Ordnung

Die Zukunft erscheint ungewisser denn je, die Komplexität hat sich durch die Krise noch potenziert. Vieles erscheint ganz besonders mit Blick auf die Folgen aus den Angeln gehoben.

Raum und Zeit werden geschärft und anders wahrgenommen. Eine neue Ordnung unserer alltäglichen Abläufe muss er-funden werden – wiederum ein zutiefst ästhetisches Unterfangen.

Erinnernd erscheinen die Momente im Café, wie Klammern um eine vergangene Alltagsordnung. Diese kurzen Auszeiten bescherten in ihrer Regelmäßigkeit das Gefühl, souverän über Zeit und Tag zu sein.

Die von Vielen als positiver Nebeneffekt empfundene Langsamkeit und Zeit-zu-Hause ist eine durch

und durch privilegierte, bourgeoise Interpretation der Realität. Sie kollidiert mit vielen heterogenen Realitäten, die sich in grundsätzlich anderen Voraussetzungen und Bedingungen begreifen.

Es braucht augenblicklich neue Klammern, die positive Momente gestalten und fassen. Bis wann sich wieder neue Gewohnheiten einstellen können, ist kaum absehbar, bringt doch erst eine wirksame Medikation ein definitives Ende der Krise und ihrer Zumutungen in Sicht.

Die lokale, nationale und globale Wirtschaft ist vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Kein Unternehmen war auf diese Ereignisse vorbereitet. Keine Strategie hat die unvorhersehbaren Auswirkungen abgebildet. Dem Austausch von Expertisen und dem Wissenstransfer kommt mehr und mehr Bedeutung zu, um sich durch das Unbestimmte zu navigieren.

Und es stellt sich die grundsätzliche Frage:

An welchen Kriterien richte ich für die Zukunft meines Unternehmens steuernde Maßnahmen aus? Ziehe ich den größeren, gesellschaftlichen Rahmen verantwortlich mit ein oder agiere ich davon völlig unabhängig und lediglich mit subjektiver Gewichtung?

 

Zukunft und Solidarität

Ein Grundprinzip des Zusammenlebens zeichnet sich immer deutlicher vor dem Krisenhintergrund ab: Solidarität – in kleinstem, privatem Umfeld, bis hin zu global agierenden Unternehmen. Denn die globalisierte Wirtschafts-Welt ist unumkehrbar vernetzt, die wirtschaftlichen Verflechtungen groß, die gegenseitigen Abhängigkeiten – bedingt durch die Internationalität in Arbeitsteilung, Verkehr und Kommunikation – differenziert und feingliedrig. Gleichwohl gibt es schon erste Ansätze zum umsteuern.

Mithin tritt immer mehr zutage, dass es „die Wirtschaft“ nicht gibt, denn sie wird zu 100 % von Menschen gemacht.

Margret Thatchers Leitspruch “there’s no such thing as society, only individuals” war noch nie so radikal von der Wirklichkeit überholt, wie in diesen Zeiten.

Solidarität ist mehr und mehr gefragt und weist dabei mehr und mehr auf eine Lösung im Umgang mit der Klimakrise hin. Systemische und mehrdimensionale Konzepte über alle Grenzen hinweg sind gefordert, um überhaupt noch eine Zukunft gestalten zu können.

Noch ist nicht absehbar, inwieweit die Gesellschaft, die Politik und die Wirtschaft sich durch diese Krise verändern werden. Täglich werden neue Szenarien entworfen, die aus dem Verständnis von heute oder mittels Regnose die Welt von morgen prognostizieren und einordnen. Das ist – selbst im Falle einer validen Datenbasis – mehr oder weniger Lesen in der Glaskugel. Aber dennoch ist es eher mehr als weniger, der Versuch, eine Orientierung in der Un-Ordnung zu schaffen. Neue Wege im Zusammenleben und -arbeiten werden aus der Not heraus ausprobiert. Was wird davon bestehen bleiben?

 

Selbst- und Weltverständnis

Ist das oberflächliche Revival der 80er Jahre in Mode und Mobiliar eine Vorwegnahme dieser Krise? Die Rückbesinnung auf eine vermeintlich sicherere, stabilere Zeit, mit vermeintlich einfachen Lösungen? Eine Zeit, mit einer positiven Zukunftsgewissheit? Sie ist sicherlich eine Zeit, in der die ästhetischen Nenner noch relativ einheitlich funktionierten.

Im Kontext der Krise als chaotische Situation, liegt es beim Einzelnen, für sich selbst eine eigene Ordnung zu schaffen. Dieser Abwehrmechanismus und Kompensation ist Überlebensstrategie und kann zu einem Auseinanderfallen der Gesellschaft führen. Daher hängt unsere Zukunft auch um so mehr von Einzelnen ab und wie sie sich in ihrem Weltbezug verorten.

Was in Krisenzeiten wie diesen mit den weitreichenden Einschränkungen deutlich zur jeweiligen Verortung erkennbar wird: Im Guten, Schönen und in der Kultur erschafft sich der Mensch seine Wirklichkeit und gibt sich in dieser Freiheit zu erkennen. Hierfür braucht es Mut und Kreativität.

In seinem Selbst- und Weltverhältnis bedarf der Mensch Orientierung und Normen. Beides definiert ihn als gesellschaftliches Individuum.

„Mit dem Guten und Schönen sind zwei markante Bereiche menschlicher Normativität bezeichnet, die eine bedeutende Rolle für das humane Selbst- und Weltverständnis spielen.“ (Birgit Recki)

Denn Kultur erfüllt in jeder Zeit ihre je eigene Funktion und ist nicht nur in reichen Zeiten ein unabdingbarer Teil menschlichen Lebens. Der Wert von Kultur unterwirft sich nicht marktradikalen Bemessungen, politischen Weltvorstellungen oder selbstzentrierten Geschmacksurteilen.

Letztere erheben den Anspruch auf Anerkennung und Allgemeingültigkeit. Damit negieren sie die Diversität in der Gesellschaft, indem sie sie trivialisieren und verschieben vorhandene Hierarchien. Dabei verdrängen sie deren Existenz, wiewohl sie immer da sind und immer da sein werden, in welcher Ausprägung auch immer.

 

Wissen und Ignoranz

Eine Erscheinung, die diese Krise in ihren Zumutungen noch steigert, ist die schon seit Jahren sich verstärkende gesellschaftliche wie politische Tendenz zur Arroganz: Meine Ignoranz ist genauso gut und soviel wert, wie dein Wissen oder dein Können. (Isaac Asimov)

Wenn es keine eindeutigen Qualitätsunterschiede gibt, dann gilt Ahnungslosigkeit und Verblendung so viel wie Fähigkeiten und Kompetenzen.

Hinzu kommt, dass dieser gefährliche Kult insbesondere in der Politik seine unsäglichen Blüten treibt und ihn bislang keine negativen Sanktionen aufhalten.

Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz sind fast an ihrem Nullpunkt angelangt – wiederum durch die Globalisierung befördert, mit unmittelbarem Erreichbarkeits-, Verfügbarkeits- und Machbarkeitsversprechen.

Diese Entwicklung hat zu immer weiter sinkenden Ansprüchen an ästhetische Konzepte befördert, Sinnlichkeit, die Mehrdeutigkeit und Möglichkeiten impliziert, immer weiter verdrängt und auch in Bezug auf Schönheit ihre Spuren hinterlassen: Schönheit hat „als Kriterium ausgedient. Dies wird hingenommen, weil Schönheit etwas Ambiges ist, weil sie zwar von vielen, aber eben nicht von allen Menschen erfühlt wird. Objektive Kriterien für Schönheit sind schwer anzugeben. Also wird Schönheit und damit auch ihr utopisches Potential abgetan. Eine Sehnsucht nach einer schöneren Welt ist aber auch eine Sehnsucht nach einer menschlicheren, sozialeren, vielfältigeren, beschaulicheren Welt. Diese Utopie der Schönheit ist jedoch anscheinend tot.“ (Thomas Bauer)

 

Orientierung und Sublimation

Feststeht: Die Covid-19-Krise bringt alle an ihre Grenzen, ohne Ansehen des Geschlechts, des Status, der Position oder Funktion. Sie stellt die Systemfrage und eröffnet für die Zeit danach die Chance, den Gesellschaftsvertrag neu zu verhandeln – grundsätzlicher, als wir es in der Vergangenheit für möglich und notwendig erachteten – auch im Hinblick auf ästhetische Konzepte.

Was es jetzt für diese ästhetische Herausforderung braucht, ist ein kühler Kopf, Vernunft über Emotion und vor allem viel Empathie – für Andere, aber auch für sich selbst, um mit dem unabsehbaren Ausnahmezustand zurecht zu kommen und nicht von einem Taumel erfasst zu werden und dabei die Orientierung zu verlieren. Die Sublimation durch eine ästhetische Haltung trägt dazu bei, Souveränität zu erhalten oder sie zurück zu gewinnen.

Kein Leitspruch ist passender für eine aus den Angeln gehobene Ordnung und eine ästhetische Orientierung, als der von Immanuel Kant für die Aufklärung in 1784 formulierte:

„Sapere Aude – Habe den Mut, dich deines Verstandes zu bedienen.“

 


vernetztes Denken für ein ästhetisches Konzept

DAS ERFORDERNIS VON VERNETZTEM DENKEN FÜR DIE GESTALTUNG EINES ÄSTHETISCHEN KONZEPTS

Die Gestaltung eines ästhetischen Gesamtkonzepts gelingt mit der Methode des vernetzten Denkens – ja, sie ist dafür eine unabdingbare Voraussetzung!

Denn es geht nicht nur darum etwas „schön“ zu machen. Vielmehr geht es darum ein stimmiges Erscheinungsbild zu erzeugen und hierfür die wesentlichen Zusammenhänge, Elemente, Komponenten und Merkmale zu erkennen und zu verstehen. Das Fundament bildet der Aufbau von klaren betrieblichen Strukturen und Prozessen – und ist damit eine wesentliche Dimension im Beziehungsgefüge der ästhetischen Entwicklung.

Nach sorgfältiger Analyse sind die wesentlichen Aspekte, Dynamiken und Wechselwirkungen erkennbar oder zumindest beobachtbar, mögliche Potenziale zeichnen sich in Umrissen ab.

Im nächsten Schritt werden mittels weiterer kreativer Methoden, Ideen und Maßnahmen entwickelt. Diese werden für die Umsetzung, Implementierung oder etwaige Skalierung schließlich konkretisiert.

Die dann erfolgende Realisierung ist flexibel zu gestalten, um zukünftige Friktionen einzupreisen und eine Weiterentwicklung auf lange Sicht zu gewährleisten.

Denn komplexe Herausforderungen benötigen die Erkenntnis über die Wirkzusammenhänge, die mittels vernetztem Denken sowohl linear als auch mehrdimensional reflektiert werden können...für eine #NeueÄsthetischeDimension.


Die Beratung zum ästhetischen Mehrwert

Die Beratung zum ästhetischen Mehrwert von Organisationen – und hierin gibt es wohl kaum Unterschiede zu den „klassischen“ Themen und Rollen von Unternehmensberatungen – beginnt mit einer sorgfältigen Bestandsaufnahme des Ist-Zustands.

Qualitatives Wachstum und Nachhaltigkeit sind hierbei immer das Ziel – und mehr denn je untrennbar mit dem Thema Reputation verknüpft.

Wie wird Ihr Unternehmen wahrgenommen? Von Ihren Kunden und Mitarbeitenden, aber auch von Kooperationspartnern und im Wettbewerb? Und woran machen Sie Ihre Annahmen fest? Was ist die Identität Ihres Unternehmens? Und worin drückt sie sich aus?

 

Zu Beginn stehen Recherchen, Gespräche, Fragen und die Erfassung von Zusammenhängen und Dynamiken.

Schon in dieser Beratungsphase findet eine ständige Evaluierung der vorhandenen Informationen statt, damit die anschließende Analyse auf einer soliden Basis erfolgen kann.

So weit – so gut.

 

Neben Zahlen oder Daten stehen von Anfang an vor allem Beobachtungen und Wahrnehmungen im Fokus, die zueinander in Beziehung gebracht werden. Entsteht dabei ein stimmiges Ordnungsgefühl oder finden sich Dissonanzen? Denn Wirtschaft ist ein durch und durch emotionales System – von Menschen für Menschen gemacht.

Indem eine Organisation in ihrer Gesamtheit (inklusive ihrer Kultur) betrachtet wird, kann mittels Kreativität bisher Unverbundenes miteinander verbunden und können neue Muster geschaffen werden.

Wo liegen Wünsche und Bedarfe des Kunden? Bis sich ein Ordnungssystem für ein Gesamtkonzept in seinen Ansätzen abbildet und auch: bis die Auftraggeber ihre eigene Rolle voll ausfüllen und wahrnehmen können, braucht es Geduld, Zeit, Disziplin und vernetztes Denken. Es handelt sich insgesamt um ein hochemotionales Thema, das nicht in ausgedruckten Zahlen und Daten ausgelagert werden kann. Und nur mit dem distanzierten Blick von außen lässt sich ein stimmiges Erscheinungsbild erarbeiten.

 

„Für mich liegt alles in der Konzeption. Man muss also von Anfang an eine klare Vorstellung vom Ganzen haben.“ (Henri Matisse, Notizen eines Malers, 1908)

 

In der Vorstellung entsteht ein komplexes, geistiges Bild von Strukturen und Zusammenhängen, Optionen und Handlungsspielräumen, das sich durch kumulierende Informationen immer deutlicher und schärfer abzeichnet.

Es kristallisieren sich Veränderungen heraus, die innerhalb der Organisation gestaltet werden müssen.

An dieser Stelle kommen mögliche Kooperationen mit anderen Beratern und deren Expertise ins Spiel. Denn bisweilen sind Veränderungen in ganz anderen Bereichen und Ebenen eines Unternehmens zuvor zu realisieren, damit ein als stimmig empfundenes Erscheinungsbild, eine nach innen und außen hin attraktiv wirkende Ästhetik entstehen kann.

Die notwendige Vorstellungskraft müssen die Auftraggeber nicht selbst besitzen oder entwickeln, denn hierfür holen sie sich den externen Sachverstand ins Haus.

Eine unternehmenseigene Ästhetik, die u.a. in der Corporate Identity (Selbstbild) und dem Corporate Image (Fremdbild) zum Ausdruck kommt, besteht aus einer Vielzahl an Aspekten, Facetten, Ebenen und Dimensionen – und hat damit unmittelbare Wirkung auf menschliches Handeln.

 

Doch damit nicht genug: Um das Beratungsziel und den Erfolg auf ein tragfähiges Fundament zu stellen, gilt es Strukturen und Prozesse, wie zum Beispiel die Kultur, die interne und externe Kommunikation, Hierarchien, Workflows etc. mit den Themen Leadership, Management und Zukunft zu verknüpfen.

In einem kreativen Prozess werden zudem persönliche Präferenzen (persönlicher Geschmack) eingeordnet und gewinnbringend integriert. Und ebenso: Wie gestaltet sich das Personalmanagement? Ist die Personalarbeit integraler Bestandteil oder führt sie ein Eigenleben?

All diese Dimensionen sind in ihrer Komplexität zu erfassen, zu vernetzen und mögliche Friktionen zu erkennen.

Wenn visuelle Reize die Gefühlsebene ansprechen, nicht neutral bleiben, als Orientierungshilfe in Bruchteilen von Sekunden verarbeitet werden und Bewertungen erzeugen, ergeben sich die folgenden Fragen:

  • Gibt es bestimmte Parameter oder Anhaltspunkte dafür, dass eine Vielzahl von Unternehmensauftritten sich sehr ähneln, in einer gleichförmigen Erscheinungsform sich häufig zum Verwechseln ähneln?
  • Ist es nicht auffällig, warum in Websites und Räumen die Grundfarbe Weiß vorherrscht? Gibt es hierfür bewusste Entscheidungen? Oder ist das so, weil das alle machen?
  • Sollen vieldeutige Assoziationen vermieden und ausgeschaltet werden und die Botschaft damit eindeutig erscheinen?

Die Welt ist nicht schwarz-weiß, auch nicht weiß plus eine Farbe – sei es blau, grün oder orange. Warum wird Weiß als sachlich verstanden? Bestehen zwischen der Außendarstellung und dem Erscheinungsbild der Räumlichkeiten Zusammenhänge? Gibt es gestaltete Übereinstimmungen oder haben die beiden Aspekte nichts miteinander zu tun? Wenn nicht: warum nicht?

 

Und: Warum wird ein Podcast mal eben zwischendurch mit der Teeküche im Hintergrund aufgenommen, ohne darauf zu achten, den inhaltlichen Anspruch auch visuell umzusetzen? Hier verfängt das Argument, dass es ja auf den Inhalt ankommt, nicht, denn dann wäre die Kamera überflüssig.

Warum wird auch der Kleidung und dem Hintergrund so wenig Aufmerksamkeit und Sorgfalt gewidmet? Welche Botschaft sendet das aus? Soll das Ambiente eine zusätzliche Orientierung bieten?

All das sind Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind. Wer sie beantworten kann, hat einen Wettbewerbsvorteil im Markt. Für die Antworten braucht es einen qualifizierten, kreativen Sparringspartner.

Die Optimierung für ein stimmiges Erscheinungsbild ist mitunter weder aufwändig noch kostenintensiv. Es braucht nur die die Erkenntnis und den dezidierten Willen zum Handeln dazu.

Manifest Contor FranckCONTOR FRANCK –  Wir verstehen Zusammenhänge und schaffen klare Strukturen…für eine #NeueÄsthetischeDimension.

www.contorfranck.de


zwei Lampen vor weißem Hintergrund

Neue Leuchtkraft für das Geschäft

Wie kommt wieder Schwung in eine alteingesessene Lampenschirmmanufaktur?

Ausgangslage:

Der Kunde führt eine etablierte Lampenschirmmanufaktur in Berlin. In den 60er Jahren gegründet, haben sich die Eigentümer bis heute auf dem stark schrumpfenden Markt behaupten können. In 2017 übernahm die nächste Generation das Geschäft – und stand vor großen Herausforderungen:

  • Der Preisdruck der großen Möbelkaufhäuser und Online-Angebote hat in der Branche Spuren hinterlassen. Von ehemals um die 80 Lampenschirmhändlern und -herstellern in Berlin sind lediglich nur noch knapp acht verblieben.
  • Eine die das Handwerk wertschätzende Kundschaft bricht weg. Der alternden Stammkundschaft folgt keine jüngere Kundengruppe.
  • Hinzu kommt ein äußerst schwieriges, gesellschaftliches Umfeld, das in seltsam restriktivem Anspruch nur noch weiß, creme, beige oder grau kennt und zulässt, dessen eingeschränkte Ästhetik in Baumärkten und Möbelketten allenthalben billig zu haben ist.
  • Selbst das renommierte KaDeWe hat schon seit Jahren kein Angebot mehr an Lampenschirmen. Hingegen in Paris und London finden sich in den vergleichbar weltbekannten Kaufhäusern noch heute entsprechende Abteilungen mit einem beachtlichen Sortiment.

Vor diesem Hintergrund wurde ich beauftragt, eine gesamtheitliche Struktur für die dringend notwendige Neuausrichtung und Umgestaltung des Geschäfts zu entwickeln und begleitend umzusetzen.

asiatische Lampenschirme vor Bücherregal

Herausforderungen:

  • Das Ladengeschäft sowie die Schaufenster hatten sich seit Gründung nur unwesentlich verändert – inklusive veralteter Elektrik und Einbauten.
  • Die äußere Erscheinung des Ladens war für eine neue und jüngere Kundschaft alles andere als einladend.
  • Das handwerkliche Können, die stilistischen Fähigkeiten und die fachlichen Kompetenzen waren nicht sichtbar.
  • Die übernehmende Generation betrieb das Geschäft größtenteils alleine. Fachkräfte oder anzulernende Mitarbeitende waren nur sehr schwer zu finden.
  • Wegen fehlender Kapazitäten konnte die vorhandene Auftragslage nur unter Mühen abgearbeitet werden. Neue und größere Aufträge wurden schnell zu einem Problem.
  • Die finanzielle Lage war unübersichtlich und damit eine definierte Budgetierung nicht möglich.
  • Die Bekanntheit des Angebots lag im einstelligen prozentualen Bereich und das in einer stetig wachsenden europäischen Metropole, mit vollen Auftragsbüchern sämtlicher Gewerke und eines boomenden Wohnungsbaus im Luxussegment.

einzelner Lampenschirm

Herangehensweise:

Wir setzten uns zusammen und stellten eine Priorisierung der nächsten Schritte auf. Dabei entwickelten wir zwei Handlungsräume: Einerseits das laufende operative Geschäft und die Kennzahlen. Andererseits die Neuausrichtung mit Fokus auf neue und jüngere Kundschaft.

Ein Spagat für das Ziel eines stimmigen Erscheinungsbildes und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolg.

Wir starteten mit dem ersten Handlungsraum: Dabei klärten wir zunächst die finanzielle Lage des Unternehmens und identifizierten die wichtigsten Hebel zur Sicherung des laufenden Geschäfts. Dabei wurde mehr als deutlich, dass nur eine Neuausrichtung dem Betrieb wieder Aufschwung geben konnte. Handeln auf mehreren Ebenen war dringend notwendig.

Um pekuniär, physisch und psychisch nicht zu überfordern und je nach Verlauf agieren zu können, konnte die Neuausrichtung nur mit einem modularen Konzept und einer schrittweisen Umsetzung gelingen, wobei die wichtigsten Prämissen waren:

  • Entwicklung einer mehrdimensionalen, kohärenten Konzeption
  • Festlegung von Meilensteinen
  • Flexibilität in und zwischen den unterschiedlichen Dimensionen

Jeder Schritt sollte stärken und treiben und erst gegangen werden, wenn die Basis tragfähig gestaltet war.

zwei Lampen vor weißem Hintergrund

Das neue, anvisierte Portfolio beinhaltete 4 Kategorien:

  1. Verkauf

von zugekauften Lampenschirmen und Leuchten

  1. Restauration / Reparatur
  2. Prêt-à-Porter

Lampenschirme entsprechend einer Katalogauswahl und Beratung

  1. Haute Couture

Lampenschirme und Leuchten nach eigenen Entwürfen und Kooperationen mit Interior Designern.

Das Geschäft als Galerie

Die Konzeption für die Neuausrichtung bestand aus einer Standortanalyse inklusive des aktuellen Außenauftritts und der Erfassung der Parameter, Zusammenhänge und Wechselwirkungen.

Wir entwickelten ein ästhetisches Leitbild, nach dem die Manufaktur von nun an handeln und auch die Neugestaltung der Ladeneinrichtung und Schaufenster erfolgen sollte. Angefangen bei den Farben der Corporate Identity, die sich u.a. auf der Visitenkarte, der Website, den Rechnungen, einer Markise wiederfinden und im Laden und den Schaufenstern entsprechend der Umgebung und der Lichtverhältnisse in Wandfarben übersetzt werden sollten.

Als eines der Stilvorbilder diente uns das Berliner Hutgeschäft Fiona Bennet. Einerseits, weil Lampenschirme wie Kopfbedeckungen von Lampen sind. Andererseits, weil die Innenausstattung von Fiona Bennet einer Galerie ähnlich ist – alles ist in Weiß gehalten – und ein Ort, an dem man die Entwürfe bestaunen kann, einen Einblick in das elaborierte Handwerk erhält und die Wertschätzung für die Produkte und Services nonverbal transportiert wird.

Das neu gestaltete Ladengeschäft sollte alle Aspekte zu einer stimmigen Einheit verknüpfen, mit dem Ziel der Inszenierung und Präsentation der Produkte und Services in einem aktiven Arbeitsumfeld im Zusammenhang mit behaglichen, stilvollen und nicht abweisend wirkenden Interieurs. Um dies zu erreichen konnte das Farbkonzept nur abseits von Weiß erarbeitet werden.

Stand heute:

Wir fixierten wichtige Meilensteine für die Transformation des Geschäfts – in kontinuierlichem Abgleich mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Momentan arbeiten wir am neuen Web-Auftritt und der Umsetzung für den Innenbereich der Manufaktur. Hier sollen auch Wände fallen, um den Einblick in das Atelier mit seiner Werkstatt, seinen Stoffen und seiner Fertigung zu gewähren.

Die Inhaber bauen Akquisen und Kooperationen auf, die in allen stilistischen und kreativen Bereichen versiert sind: vom zeitgenössischen Design, über Midcentury bis hin zu Antiquitäten –  immer breit aufgestellt und offen für Individualität.

Fotos: harryclarkinterior und Ludger Paffrath

Lampenschirm leuchtend


Bild-Beitrag-BDU-ästhetische-Dimension

Mit einem ästhetischen Konzept in eine Neue Ästhetische Dimension

 

Mein Beitrag im Fachthemenportal des BDU im Themenfeld „Strategie und Innovation“:

Jedes Unternehmen wächst mit einem ästhetischen Konzept in eine #NeueÄsthetischeDimension

Die Erarbeitung eines ästhetischen Konzepts ist eine strategisch wichtige Entscheidung, um sich als Unternehmen für den Wettbewerb und die Stellung am Markt zu rüsten.

Neben der Entwicklung eines Corporate Designs und der Corporate Identity, öffnet sich damit eine mehrdimensionale Sicht: auf die unternehmensspezifischen Strukturen, wie auch auf die Kommunikation nach außen wie nach innen.

Ästhetik formt einen Rahmen um ökonomische Kategorien im Hinblick auf die emotionale Rendite und ist Teil der strategischen Zukunftsgestaltung.

Je früher und absichtsvoller die ästhetische Konzeption in die Wertschöpfungskette eingebunden wird, desto nachhaltiger ist ihre Wirkung.

Als sinnliche Wahrnehmung ist Ästhetik der visuelle Ausdruck erschlossener Komplexität und verbindet Menschen und ihre Motive, Lösungen und Probleme, Geschichte und Gegenwart. Die Beschäftigung mit Ästhetik schafft kreative Freiräume, eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten, fördert vernetztes Denken und erhöht auf diese Weise die unternehmerische Qualität.

Sind sowohl die unternehmensinternen Strukturen, als auch die Positionierung und die Ziele geordnet und definiert, die Wechselwirkungen herausgearbeitet, kann eine positiv wahrnehmbare Ästhetik gestaltet werden. Dies erfordert im Besonderen die Kompetenz zu differenzieren und mit Ambivalenzen konstruktiv umzugehen.

Die Kreation eines ästhetischen Konzepts beginnt mit einem Prozess der Abstraktion. Die Grundlage hierfür ist eine Analyse konkreter Sachverhalte. Hervorgebracht wird schließlich – und da schließt sich der Kreis – eine konkrete ästhetische Form bzw. Leitlinie, mit Ordnung und Struktur, für die nonverbale Kommunikation mit Kunden und Mitarbeitern.

Zudem trägt ein überzeugendes ästhetisches Gesamtkonzept dazu bei, dass Mitarbeitende bei der Differenzierung des Unternehmens im besten Sinne mitwirken  – mit direkten ökonomischen Auswirkungen – und Kunden ein Unternehmen bevorzugen, das attraktivere Assoziationen transportiert – mit direkten ökonomischen Auswirkungen.

Ästhetik gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht das Unsichtbare erfassbar.

(Nach Paul Klee)

Sie verleiht einer komplexen Idee und Organisation Identität und Ausdruck und schafft Orientierung. Komplexe Zusammenhänge und Haltungen werden in einem kreativen Prozess konkret und abstrakt intuitiv erfassbar, Werte und Kultur sichtbar.

Eine #NeueÄsthetischeDimension ist essentiell für ein geschärftes Unternehmensprofil und erhöht die die Leuchtkraft.

 

Lesen Sie den vollständigen Beitrag im Fachthemenportal des Bundesverbands deutscher Unternehmensberater e.V.