Wie kommt wieder Schwung in eine alteingesessene Lampenschirmmanufaktur?

Ausgangslage:

Der Kunde führt eine etablierte Lampenschirmmanufaktur in Berlin. In den 60er Jahren gegründet, haben sich die Eigentümer bis heute auf dem stark schrumpfenden Markt behaupten können. In 2017 übernahm die nächste Generation das Geschäft – und stand vor großen Herausforderungen:

  • Der Preisdruck der großen Möbelkaufhäuser und Online-Angebote hat in der Branche Spuren hinterlassen. Von ehemals um die 80 Lampenschirmhändlern und -herstellern in Berlin sind lediglich nur noch knapp acht verblieben.
  • Eine die das Handwerk wertschätzende Kundschaft bricht weg. Der alternden Stammkundschaft folgt keine jüngere Kundengruppe.
  • Hinzu kommt ein äußerst schwieriges, gesellschaftliches Umfeld, das in seltsam restriktivem Anspruch nur noch weiß, creme, beige oder grau kennt und zulässt, dessen eingeschränkte Ästhetik in Baumärkten und Möbelketten allenthalben billig zu haben ist.
  • Selbst das renommierte KaDeWe hat schon seit Jahren kein Angebot mehr an Lampenschirmen. Hingegen in Paris und London finden sich in den vergleichbar weltbekannten Kaufhäusern noch heute entsprechende Abteilungen mit einem beachtlichen Sortiment.

Vor diesem Hintergrund wurde ich beauftragt, eine gesamtheitliche Struktur für die dringend notwendige Neuausrichtung und Umgestaltung des Geschäfts zu entwickeln und begleitend umzusetzen.

asiatische Lampenschirme vor Bücherregal

Herausforderungen:

  • Das Ladengeschäft sowie die Schaufenster hatten sich seit Gründung nur unwesentlich verändert – inklusive veralteter Elektrik und Einbauten.
  • Die äußere Erscheinung des Ladens war für eine neue und jüngere Kundschaft alles andere als einladend.
  • Das handwerkliche Können, die stilistischen Fähigkeiten und die fachlichen Kompetenzen waren nicht sichtbar.
  • Die übernehmende Generation betrieb das Geschäft größtenteils alleine. Fachkräfte oder anzulernende Mitarbeitende waren nur sehr schwer zu finden.
  • Wegen fehlender Kapazitäten konnte die vorhandene Auftragslage nur unter Mühen abgearbeitet werden. Neue und größere Aufträge wurden schnell zu einem Problem.
  • Die finanzielle Lage war unübersichtlich und damit eine definierte Budgetierung nicht möglich.
  • Die Bekanntheit des Angebots lag im einstelligen prozentualen Bereich und das in einer stetig wachsenden europäischen Metropole, mit vollen Auftragsbüchern sämtlicher Gewerke und eines boomenden Wohnungsbaus im Luxussegment.
einzelner Lampenschirm

Herangehensweise:

Wir setzten uns zusammen und stellten eine Priorisierung der nächsten Schritte auf. Dabei entwickelten wir zwei Handlungsräume: Einerseits das laufende operative Geschäft und die Kennzahlen. Andererseits die Neuausrichtung mit Fokus auf neue und jüngere Kundschaft.

Ein Spagat für das Ziel eines stimmigen Erscheinungsbildes und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolg.

Wir starteten mit dem ersten Handlungsraum: Dabei klärten wir zunächst die finanzielle Lage des Unternehmens und identifizierten die wichtigsten Hebel zur Sicherung des laufenden Geschäfts. Dabei wurde mehr als deutlich, dass nur eine Neuausrichtung dem Betrieb wieder Aufschwung geben konnte. Handeln auf mehreren Ebenen war dringend notwendig.

Um pekuniär, physisch und psychisch nicht zu überfordern und je nach Verlauf agieren zu können, konnte die Neuausrichtung nur mit einem modularen Konzept und einer schrittweisen Umsetzung gelingen, wobei die wichtigsten Prämissen waren:

  • Entwicklung einer mehrdimensionalen, kohärenten Konzeption
  • Festlegung von Meilensteinen
  • Flexibilität in und zwischen den unterschiedlichen Dimensionen

Jeder Schritt sollte stärken und treiben und erst gegangen werden, wenn die Basis tragfähig gestaltet war.

zwei Lampen vor weißem Hintergrund

Das neue, anvisierte Portfolio beinhaltete 4 Kategorien:

  1. Verkauf

von zugekauften Lampenschirmen und Leuchten

  1. Restauration / Reparatur
  2. Prêt-à-Porter

Lampenschirme entsprechend einer Katalogauswahl und Beratung

  1. Haute Couture

Lampenschirme und Leuchten nach eigenen Entwürfen und Kooperationen mit Interior Designern.

Das Geschäft als Galerie

Die Konzeption für die Neuausrichtung bestand aus einer Standortanalyse inklusive des aktuellen Außenauftritts und der Erfassung der Parameter, Zusammenhänge und Wechselwirkungen.

Wir entwickelten ein ästhetisches Leitbild, nach dem die Manufaktur von nun an handeln und auch die Neugestaltung der Ladeneinrichtung und Schaufenster erfolgen sollte. Angefangen bei den Farben der Corporate Identity, die sich u.a. auf der Visitenkarte, der Website, den Rechnungen, einer Markise wiederfinden und im Laden und den Schaufenstern entsprechend der Umgebung und der Lichtverhältnisse in Wandfarben übersetzt werden sollten.

Als eines der Stilvorbilder diente uns das Berliner Hutgeschäft Fiona Bennet. Einerseits, weil Lampenschirme wie Kopfbedeckungen von Lampen sind. Andererseits, weil die Innenausstattung von Fiona Bennet einer Galerie ähnlich ist – alles ist in Weiß gehalten – und ein Ort, an dem man die Entwürfe bestaunen kann, einen Einblick in das elaborierte Handwerk erhält und die Wertschätzung für die Produkte und Services nonverbal transportiert wird.

Das neu gestaltete Ladengeschäft sollte alle Aspekte zu einer stimmigen Einheit verknüpfen, mit dem Ziel der Inszenierung und Präsentation der Produkte und Services in einem aktiven Arbeitsumfeld im Zusammenhang mit behaglichen, stilvollen und nicht abweisend wirkenden Interieurs. Um dies zu erreichen konnte das Farbkonzept nur abseits von Weiß erarbeitet werden.

Stand heute:

Wir fixierten wichtige Meilensteine für die Transformation des Geschäfts – in kontinuierlichem Abgleich mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Momentan arbeiten wir am neuen Web-Auftritt und der Umsetzung für den Innenbereich der Manufaktur. Hier sollen auch Wände fallen, um den Einblick in das Atelier mit seiner Werkstatt, seinen Stoffen und seiner Fertigung zu gewähren.

Die Inhaber bauen Akquisen und Kooperationen auf, die in allen stilistischen und kreativen Bereichen versiert sind: vom zeitgenössischen Design, über Midcentury bis hin zu Antiquitäten –  immer breit aufgestellt und offen für Individualität.

Fotos: harryclarkinterior und Ludger Paffrath

Lampenschirm leuchtend