Die Zukunft liegt nicht im Controlling- die ästhetische Dimension in der Unternehmensstrategie

Warum Controlling-Zahlen für die Zukunft nicht ausreichen

Von Matthias Franck

Ein immer noch viel zu großes Missverständnis in deutschen Unternehmen: Was nicht zu berechnen ist, hat keinen Wert. Dabei waren die Wirtschaft und die einzelnen Unternehmen noch nie nur rational. Allerdings sitzen Deutschlands Verantwortliche immer noch lieber in ihren Controlling Cockpits und steuern darin der Entmenschlichung der Arbeit entgegen. Das geht auch anders.

Das Realitätsdilemma

Was ist Realität? Sie ist die Summe der individuellen Wahrnehmungen. Im Controlling kommt es allerdings oftmals vor, dass Zahlen die Realität abbilden sollen. Das Dilemma daran: Zahlen bilden nicht den objektiven Organisationsablauf ab. Objektive Organisationen existieren nicht. Sie charakterisieren sich vielmehr aus der individuellen Wahrnehmung der Beteiligten: Management, Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer, Vertriebspartner, etc. Wenn der Glaube an Zahlen größer ist, als der Realitätssinn, haben Unternehmen ein Problem. Das bedeutet nicht, Zahlen zu trivialisieren. Vielmehr sollten Verantwortliche sich der wachsenden Komplexität der Wirtschaftswelt annehmen – und auch andere, immaterielle Parameter in die Wertschöpfung einbeziehen.

Die Wirtschaft von heute

Die rationale Leistungsgesellschaft setzte lange Zeit auf das Prinzip „höher, schneller weiter“. Wachstum um jeden Preis und Shareholder Value standen im Mittelpunkt vieler Unternehmensstrategien. In einer zunehmend komplexen Welt mit neuen Problemen passen solche Strategieansätze allerdings nicht mehr in die Zeit. In unserer Gesellschaft findet eine Werteverschiebung statt: Nachhaltiges Denken und Handeln gewinnt an Gewicht. Folglich steigen die Ansprüche an Arbeit, an Arbeitsformen und Arbeitsverhältnisse, die aufgrund der globalen und sozialen Vernetzungen immer intensiver eingefordert werden – genauso, wie echte und faire Möglichkeiten für den Sinn des Einzelnen und die individuelle Lebensgestaltung.

Arbeit muss heute eine Bedeutung (Purpose) haben, die die unternehmerischen mit den persönlichen Motiven fusioniert oder weitestgehend in Einklang bringt. Auch hier spielt die individuelle Wahrnehmung wieder eine entscheidende Rolle: Ist meine Arbeit sinnstiftend, bin ich motiviert und identifiziere mich mit ihr. Das Selbstverständnis und die Haltung eines Unternehmens sind somit immaterielle Werte, die vom Controlling zwar nicht erfasst werden können, in Zukunft aber zunehmend den Unterschied in der Wettbewerbsfähigkeit ausmachen. Um die Unternehmenshaltung auf die Mitarbeitenden zu übertragen, sollten Verantwortliche eine ästhetische Dimension in ihre Strategie einbinden.

Die ästhetische Dimension

Mit Ästhetik ist die Sinnesempfindung gemeint. Also die Art, wie interne und externe Akteure einer Organisation das Unternehmen wahrnehmen. Das beginnt mit der Architektur und Büroeinrichtung des Firmengebäudes, zieht sich über die Corporate Identity und das Corporate Design hinweg und mündet im Auftreten des Managements, der Mitarbeiter sowie im Selbstverständnis der Kunden. Oder frei nach Paul Klee: Ästhetik gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht das Unsichtbare fassbar. Unternehmen, die ihre Wertschöpfung um die ästhetische Dimension ergänzen, schaffen emotionale Atmosphären und Gestaltungsräume. Das fördert die Kreativität der Mitarbeiter – und Kreativität wird in allen Bereichen der Wirtschaft eine immer wertvollere Ressource.

Allerdings lässt sich oftmals beobachten, wie Mitarbeitende durch Bonuszahlungen, internen Wettbewerb oder Zeitdruck zur Produktivität gezwungen werden. Darunter leidet dann die Kreativität und letztlich auch die Ergebnisse. Gelingt es Unternehmen stattdessen, mit ihrem gesamten Erscheinungsbild eine Haltung, ja einen Lebensstil zu kommunizieren, färbt sich das auch auf das Selbstverständnis der Mitarbeiter ab. Sie spüren, Teil von etwas Besonderem zu sein, sehen Sinn in ihrer Arbeit und identifizieren sich mit dem Unternehmen. Und wer sich emotional an sein Unternehmen gebunden fühlt, bleibt in der Regel auch dort, wie der Gallup Engagement Index 2018 darstellt – für das Controlling nicht irrelevant.

Zur Marke werden

Anders ausgedrückt: Wenn Verantwortliche die ästhetische Dimension in die Unternehmensstrategie einbinden, transformieren sie das Unternehmen zu einer mehrdimensionalen Marke. Dafür sollte das Management natürlich eine klare Vorstellung vom inneren und äußeren Erscheinungsbild des Unternehmens haben. Laut dem deutschen Markenmonitor mangelt es 76 Prozent der Unternehmen an einem klaren Profil. In 63 Prozent der Unternehmen kennen die Mitarbeitenden die Markenpositionierung nicht genau. Auch das zeigt wieder, wie wenig Relevanz diesem Thema eingeräumt wird.

Ein hoher Markenwert ist ein Profitabilitätsmotor. Auch wenn Controller den Wert der Ästhetik eines Unternehmens nicht in Zahlen messen können – er wird erkennbar, sobald das Management Strategie und Wertschöpfung um die ästhetische Ebene erweitert. Neben kreativeren Mitarbeitenden macht sich das vor allem auch in den Kaufentscheidungen der Kunden bemerkbar. Unternehmen mit einem ganzheitlichen ästhetischen Erscheinungsbild kommunizieren eine Haltung. Überall. Ob bei der Produktverpackung, der Ladenatmosphäre oder dem Design der Rechnung. Das Erscheinungsbild löst bei Kunden bestimmte Emotionen aus. Sind diese Emotionen positiv, sind sie der Ursprung einer Kaufentscheidung.

Wem gehört die Zukunft?

Unbestritten müssen in Unternehmen Liquidität und Schuldendeckungsfähigkeit gesichert werden, um überhaupt Handlungsfähig zu sein. Zahlen helfen dem Management, auf Kurs zu bleiben. Sich alleine auf Sie zu verlassen, reicht in Zukunft nicht mehr aus. In Zukunft gewinnen diejenigen Unternehmen, die sich authentisch inszenieren. Jeder, der im Unternehmen für Zahlen und die Wertentwicklung zuständig ist, sollte sich im Klaren darüber sein: Eine ganzheitlich in die Unternehmensstrategie eingebundene Ästhetik schafft ökonomischen Mehrwert. Strategien, die eine ästhetische Dimension einbeziehen, entsprechen nicht nur dem Unternehmen – sie sind auch sichtbar, spürbar und erlebbar, also allseitig wahrnehmbar.

 

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